Mala Vita
mir vor wie ein missgünstiges Orakel.«
»So oder so«, antwortete Carlo, »ich an deiner Stelle wäre allein in die Karibik gereist.«
»Sieh es doch einfach mal von folgender Warte: Sollte Rosanna mir tatsächlich etwas vorspielen, mich ausspionieren oder aus irgendeinem Grund etwas Böses wollen, dann ist es immer noch besser, ich nehme sie mit, denn dann habe ich sie wenigstens unter Kontrolle. Auch wenn ich nicht objektiv bin, glaube ich, dass ich Rosanna ganz gut einschätzen kann. Mir erscheint sie offen und ehrlich, sie macht mir nichts vor, und sie hat es schon gar nicht auf mein Geld abgesehen. Wenn doch, hätte sie sich mir gegenüber offensiver verhalten, zumal ich ihr verraten habe, dass mir Enrico zwei Häuser vererbt hat. Stattdessen war sie eher abweisend oder abwehrend. Verstehst du, was ich meine?«
Carlo wiegte den Kopf. »Weißt du, was in Frauenköpfen vorgeht? Ich nicht …«
»Lass gut sein!«, murmelte Cardone. »Das weiß kein Mensch, sofern er männlich ist. Insofern sind wir uns einig.« Er schaltete das Radio ein und suchte einen Musiksender, während Carlo unter leisem Fluchen mehrere langsam fahrende Autos überholte. Aber außer Nachrichten und stampfenden Hardrockrhythmen war nichts zu finden. Mürrisch schaltete er wieder ab. »Ich fühle mich beschissen. Einerseits freue ich mich wie verrückt auf die Karibik, auf der anderen Seite schlage ich mich mit dem Gefühl herum, ob das alles richtig ist, was ich da tue. Irgendwo in meinem Hinterkopf lauert eine Angst, die ich nicht definieren kann.« Cardone seufzte tief, ließ die Seitenscheibe herunter, steckte den Kopf hinaus und ließ sich für einen Augenblick den Wind durch die Haare wehen. Dann wandte er sich wieder an seinen Freund: »Seit ich denken kann, war es mir völlig egal, dass ich wenig Geld hatte. Ich habe nichts entbehrt. Gut, manchmal war es schwierig, und ich habe mir gewünscht, dass ich nicht jeden Cent umdrehen muss. Plötzlich ist das Geld da und mein Bauch sagt: Wie schön, aber lass die Finger davon! Das ist doch verrückt! Mein Bauch kann doch nicht einfach sagen: Bleib arm!«
»Dein Kopf kann dir sagen, sei klug!«, entgegnete Carlo.
»Hätte ich etwa dem unverschämten Comandante von dem Erbe in Antigua erzählen sollen?«
Carlo zuckte mit den Achseln. »Ich hätte es ihm vermutlich auch nicht auf die Nase gebunden. Jedenfalls nicht zum jetzigen Zeitpunkt. Vor allem, wenn ich daran denke, dass mir dieser Comandante reichlich komisch vorkam. Weshalb stöberte er uns im Café auf? Wieso hat man dich nicht gleich in die Questura bestellt und dort verhört? Das wäre doch viel einfacher gewesen! Stattdessen hockte er sich einfach an unseren Tisch und behauptete, er sei Comandante der Carabinieri. Hat er uns einen Ausweis gezeigt?«
»Hat er«, brummte Cardone. »Aber, ehrlich gesagt, ich habe ihn mir nicht genau angesehen. Heutzutage kann man alles perfekt fälschen.«
»Eben!«, bestätigte Carlo. »Woher also wollen wir wissen, ob er tatsächlich ein Offizier der Carabinieri ist? Dazu kommt, dass er eine Kopfverletzung hatte. Kennst du einen Beamten, der Dienst schiebt, wenn er krank ist? Ich nicht.« Er bremste den Wagen sanft ab, verließ die Autostrada und bog zum Flughafen ab. Routiniert reihte er sich auf dem Zubringer ein. »Ich glaube, es war ganz richtig, diesen d’Aventura oder wie immer er heißt, nicht ins Vertrauen zu ziehen. Er hat zwar angerufen und dich auf die Questura gebeten, aber das will noch lange nichts heißen.«
»Wenn ich nur wüsste, was mich in Saint John’s erwartet«, sinnierte Cardone laut und steckte sich eine Zigarette an.
»Wahrscheinlich wirst du nach deiner Rückkehr einen guten Anwalt brauchen, damit man dir nicht hinterher noch einen Strick daraus dreht, dass du angeblich einen Haufen Steuergelder unterschlagen hast.« Carlo setzte den Blinker und ließ den Wagen vor der Abflughalle ausrollen.
»Glaub mir, Carlo«, erwiderte Cardone, »ich werde garantiert nichts tun, was gegen das Gesetz verstößt!«
»Ich weiß«, murmelte der Freund und gab Cardone zum Abschied die Hand. »Hast du alles?«, fragte er noch einmal. In seiner Stimme lag eine unergründliche Traurigkeit. »Tickets, Geld, Scheckkarte, Pass, Testament …?«
»Ich habe alles«, murmelte Cardone.
»Ruf mich an, wenn du angekommen bist. Ansonsten mach’s gut!« Carlo klopfte Cardone ermunternd auf die Schulter, während dieser ausstieg.
Cardone wuchtete den Koffer vom Rücksitz. »
Arrivederci
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