Mala Vita
Lächeln ab. »Wie ich dir bereits gesagt habe: Wir beschäftigen uns mit Verträgen, begleiten fachlich diverse Firmengründungen. Wir sind weder einflussreich noch wichtig oder außergewöhnlich interessant. Aber was ist mit dir? Bist du von den Carabinieri noch nicht befragt worden? Verdächtig sind doch alle Leute, die Zeit haben. Du zum Beispiel schlägst doch mit Schreiben die Zeit tot, oder?«
Senna blickte Cardone zum ersten Mal offen in die Augen. Seine Mundwinkel zeigten ein überhebliches Lächeln. Mehrere Sekunden hielt Roberto diesem Blick stand. Was immer dieser Advokat mit seiner Frechheit bezweckte, er würde sich keine Blöße geben.
»Dein Angriff sieht aus wie ein Rückzugsgefecht, Senna.«, unterbrach Cardone die schmerzhafte Stille. »Mein Freund hat mich einen Tag nach dem Mord in die Questura gebracht. Ich war nicht imstande, ein Auto zu fahren. Aber keiner war zuständig, und keiner wollte Auskunft geben. Stattdessen wollten sie wissen, ob ich irgendetwas über euch weiß und was Enrico in Palermo gemacht haben könnte. Sie fragten mich, ob er dort mit jemandem verabredet war, ob wir Freunde in Sizilien haben oder Geschäftsverbindungen dorthin.«
»Ja, ja …, so sind sie, die Carabinieri! Vielleicht hast du nur falsch gefragt.«
»Ein Polizeioffizier faselte etwas von Nachrichtensperre. Er hat mir abgeraten, nach Sizilien zu fliegen, aber er hat mir nicht verboten, hier nach dem Rechten zu sehen.« Cardone lächelte böse.
»Und …?« Senna hatte wieder diesen lauernden Blick. Sein Mund zuckte unmerklich und blieb bitter verzogen.
»Was, und …?«
»Wie ging es weiter?«, insistierte Senna. »Warst du in Palermo?«
»Natürlich war ich dort. Doch anstatt meine Fragen zu beantworten, wollten sie alles Mögliche von mir wissen. Aber was sollte ich sagen? Enrico hat mir gegenüber kaum ein Wort über seine Arbeit verloren. Ich habe den Ermittlern geraten, sich an euch zu wenden.«
»Wir können den Carabinieri auch nicht helfen«, entgegnete Senna ruppig und steckte Kontoauszüge in den Reißwolf.
Cardone deutete provokativ auf den Schredder. »Wer anderen eine Grube gräbt, sollte den Spaten gut verstecken.«
»Du sprichst in Rätseln«, stieß Senna hervor.
»Tu nicht so naiv! Du weißt genau, was ich meine.« Cardone ging aufgeregt in Sennas Büro auf und ab. Plötzlich blieb er stehen. »Was wollte Enrico in Palermo? Du bist sicher über jeden seiner Schritte informiert gewesen. Hat er sich mit jemandem getroffen? War er mit einem Mandanten verabredet? Hatte er einen Gerichts- oder Besprechungstermin? Und erzähle mir jetzt bitte keine Märchen!«
Cardone blickte in Sennas kalte Augen und versuchte, in dem glatten Gesicht die Gedanken seines Gegenübers zu lesen. Doch die Miene des gewieften Anwaltes verriet nichts. Wie ein Eisblock starrte er Cardone an.
»Ich habe keine Ahnung, was dein Bruder dort vorhatte.« Senna sortierte fahrig ein paar Schriftstücke, bildete neue kleine Stapel auf seinem Schreibtisch und schob unablässig Schriftstücke und Dokumente in den Papierwolf. »Er buchte seine Flüge selbst. Weshalb, warum, weswegen – frag mich etwas Leichteres! Schließlich war er mir keine Rechenschaft schuldig. Ich kümmere mich um meinen eigenen Kram. Pantrini ebenso. Wir sind rund um die Uhr mit Verwaltungskram und Kundenakten beschäftigt. Dein Bruder ist … äh … war ständig auf Achse, wie man so schön sagt. Arbeit und nichts als Arbeit …«
»Sind Enricos Termine irgendwo vermerkt?«
»Frag die Bruschella!«, schnappte Senna ungehalten zurück. »Seine Sekretärin machte die Terminplanung für ihn. Ihre Visitenkarte mit Adresse und Telefonnummer hängt an der Pinnwand neben ihrem Schreibtisch.« Er deutete zum Vorzimmer. »Nimm einen guten Rat von mir an: Du solltest der Polizei die Arbeit überlassen!«
»Danke für den Hinweis«, bellte Cardone ungehalten. »Du wirst verstehen, dass ich mich mit deinen Ratschlägen nicht zufriedengeben werde. Sie bringen mich kein Stück weiter. Wenn du mir nicht sagen kannst, was Enrico in Palermo wollte, dann sag mir wenigstens, was du vermutest!«
»Meiner Meinung nach ist dein Bruder von einem Irren umgebracht worden.«
»Ich glaube weder an einen Irren noch glaube ich, dass du mir klaren Wein einschenkst. Es ist mir unerklärlich, weshalb du mich nicht unterstützt, die Wahrheit über meinen Bruder herauszufinden.«
»Weil ich es nicht kann«, giftete Senna.
Cardone schüttelte ungläubig den Kopf und lief
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