Mala Vita
Baveno absolviert und studierte danach in Milano Rechtswissenschaften. Weil ihm das wohl nicht genug war, hängte er Betriebswirtschaft dran. Nach dem Examen stieg er in eine der renommiertesten Kanzleien in Milano ein. Bei Basso & Voltri, wenn dir das etwas sagt. Schon nach zwei Jahren hatte er es zum Juniorpartner gebracht. Ich habe mit Signor Basso persönlich gesprochen, und er sagte mir, so etwas sei in der Kanzlei während ihres vierzigjährigen Bestehens nur ein einziges Mal vorgekommen.«
»Dio cane!«,
entfuhr es d’Aventura anerkennend.
»Ja, er war ein kluges Kerlchen«, fügte Venaro hinzu. »Binnen kürzester Zeit hatte er einen hervorragenden Ruf als Wirtschaftsanwalt. Nur sechs Jahre später gründete er eine eigene Kanzlei und lag wenig später im Clinch mit seinem ehemaligen Arbeitgeber. Angeblich soll er einige wichtige Mandanten mitgenommen haben. Jedenfalls wissen wir, dass er die Vorstände großer Konzerne betreut hat. Wie aus heiterem Himmel löste er vor zehn Jahren seine Kanzlei in Milano auf und gründete in seinem Heimatdorf Premeno eine Sozietät. Allerdings hatten seine Partner nicht viel zu sagen. Er war der Boss.«
»Und wo hatte er seine Partner her?«
»Senna und Pantrini haben die Rechtsabteilungen von Versandhäusern geführt.«
D’Aventura war sichtlich beeindruckt. »Wie kommt ein solcher Mann mit der Mafia in Berührung?« Er schüttelte ungläubig den Kopf.
Venaro zog die Mundwinkel nach unten. »Pffff …«, was wohl so viel heißen sollte, dass er es nicht wusste.
»Cardone hatte seit Jahren eine Freundin«, knüpfte der Comandante an Cardones Lebenslauf an. »Das kannst du im Bericht des Geheimdienstes nachlesen. Dummerweise kommen wir an diese Karibikblüte nicht heran. Sie lebt in Saint John’s, genauer gesagt, auf Cardones Anwesen.«
»Wo?«
»In Saint John’s, die Hauptstadt von Antigua. Das Anwesen liegt an der Half Moon Bay. Angeblich soll er es vor acht Jahren erworben haben. Niederschmetternd, wie lückenhaft das Geheimdossier ist, was genaue Hintergrundinformationen angeht. An Grundbucheinträge oder ähnliche Dokumente ist auch nicht heranzukommen, und letztlich lässt sich auch nichts beweisen. Es wird angenommen, dass Cardones Villa offiziell dieser Signorina Silvia Alvarez gehört. So heißt die schnuckelige Dame. Wir haben sogar ein Foto von ihr.«
»Ist sie hübsch?«
D’Aventura blätterte in einem der Ordner, zog ein Bild aus einer Plastikfolie und reichte es seinem Assistenten.
Commissario Venaro betrachtete mit sichtlichem Vergnügen das Hochglanzfoto.
»Madonna! Una bellezza sconvolgente
– welch eine Schönheit! Wie alt sagtest du, war Cardone?«
»Siebenundvierzig.«
»Sie ist doch höchstens achtundzwanzig!«
»Du brauchst es nur nachzulesen! Steht auch im Bericht. Der heiße Feger ist zweiunddreißig«, erwiderte d’Aventura.
Venaro pfiff leise durch die Zähne. »Fünfzehn Jahre jünger als er!
Madonna!
Da sieht man mal wieder: Geld überbrückt jeden Altersunterschied. Weshalb nimmt sich eine solche Frau keinen jungen, gutaussehenden Mann?«
D’Aventura schüttelte missbilligend den Kopf. »Einen wie dich etwa?«
»Warum nicht?« Venaro grinste.
»Du hast weder ihre Blutgruppe noch kämpfst du in der richtigen Gewichtsklasse. Du hast keine Ahnung, was sich Frauen dieses Kalibers wünschen. Kennst du das Sprichwort: Je älter der Bock, desto härter das Horn?«
»Madonna …!
In deinem fortgeschrittenen Alter solltest du es unterlassen, dumme Sprüche zu klopfen!« Venaro lachte. »Oder wolltest du gerade Eigenwerbung machen?«
»Das hab ich nicht nötig. Schau in den Spiegel, dann siehst du selbst, was du für ein mickriges Kerlchen bist! Und auch noch rothaarig! Kein Wunder, das du bis jetzt keine abbekommen hast.«
Venaro lachte amüsiert in sich hinein, während er das Foto der schönen Silvia Alvarez betrachtete. »Irgendwie kommt sie mir bekannt vor!«, murmelte er. »Wenn ich nur wüsste, an wen sie mich erinnert? Gibt es kriminologische Erkenntnisse über diesen karibischen Traum aller Männer?«
D’Aventura verneinte.
»Schade, dass wir nicht wissen, was alles nicht im Dossier steht«, alberte Venaro. »Für mich ist es immer wieder frappierend, weshalb man uns nur mit Informationshäppchen versorgt, damit wir nie ein komplettes Bild bekommen.«
»Siehst du«, sagte d’Aventura voll triefendem Spott. »Das ist es, was ich meine. Geheimdienstgeheimnisse sind meist so geheim, dass der Geheimnisträger selbst
Weitere Kostenlose Bücher