Malavita: Eine Mafia-Komödie (German Edition)
preisgünstig, aber gab es etwas Schöneres, als dass derjenige, der einen ungerecht behandelt hatte, einen um Verzeihung anflehte? Die Aussicht auf diesen Spaß rechtfertigte die hohe Gebühr. Warren nahm jeden Auftrag an, der ihm durchführbar erschien, die anderen Jungs sahen in ihm einen Auserwählten. Warren kann dir helfen. Warren weiß, was zu tun ist. Rede mit Warren. Warren ist gerecht. Warren ist gut. Warren ist Warren. Er ging nie auf jemanden zu, er wartete, bis jemand zu ihm kam. Er spielte sich nie als Anführer auf, aber die Anerkennung, die man ihm zollte, nahm er huldvoll an. Er bat nie um etwas, er wartete, bis man ihm gab. Sein großes Vorbild Alfonso Capone, so viel war sicher, wäre stolz auf ihn gewesen. Doch der Preis dafür war ein Leben im Verborgenen – allen Kämpfern vor ihm war es bereits ähnlich ergangen. Ein richtiger Anführer gehorchte dem Gesetz des Schweigens und ließ die, die ihr Herz ausschütten mussten, zu sich kommen. Gib ihnen das, was sie brauchen. Vor allem aber brauchten sie jemanden, der ihnen zuhörte. Bevor Warren jemanden mochte oder hasste, bevor er jemandem recht gab oder nicht, bevor er ihm seine Hilfe anbieten konnte, musste er sich erst einmal ein genaues Bild verschaffen. Das war die Grundlage, wenn man ein echter Anführer sein wollte. Und Warren wurde es mit jedem Tag ein bisschen mehr.
Auch wenn ihm nichts an einem treuen Gefolge lag, so schien sich doch in Cholong eine gewisse Generation von Nacheiferern herauszubilden, die erkannt hatten, dass die Fähigkeit, zuzuhören, der Schlüssel für die Lösung so manchen Problems sein konnte.
Warum hatte sein Vater gegen die eigenen Leute ausgesagt? Diese Frage hatte Warren bisher nicht zu stellen gewagt. Er wusste, dass ein solches Gespräch eines Tages unvermeidlich sein würde, aber noch fühlte er sich nicht stark genug. Sein Vater hatte noch nichts von seiner Autorität verloren – trotz seines jämmerlichen Rentnerdaseins, das ihn an Heim und Garten fesselte.
Doch er konnte noch immer überzeugend als Beschützer auftreten oder als jemand, vor dem man sich in Acht nehmen musste. Der Schock des Prozesses und seine Folgen hatten daran nichts geändert. In Cholong nahmen sie ihn hauptsächlich als Beschützer wahr. Man sah in ihm einen Mann, der viel herumgekommen war, der Gott und die Welt kannte, was ihn auch zu seinen Büchern inspiriert hatte, die mittlerweile Regale füllten. Dieser Amerikaner, der auch noch Schriftsteller war, hatte das Zeug dazu, die Massen für sich einzunehmen. Die Frauen drehten sich nach ihm um, die Männer grüßten ihn von Weitem, die Kinder verehrten ihn als eine Art Helden. Wenn auch die Gründe für die Bewunderung verschiedene waren, so spürten doch alle diese beeindruckende natürliche Autorität, die er ausstrahlte. Frederick Blake gehörte zu den wenigen Menschen, die man sich als Freund wünschte, ohne sie wirklich zu kennen. Sein Auftauchen beruhigte und beunruhigte gleichermaßen; ein böser Blick, ein Handschlag von ihm konnten genügen und aus einem Schwächling wurde ein Kraftprotz und umgekehrt. Er war der unangefochtene Leitwolf, niemand hätte gewagt, ihm diese Position streitig zu machen. Dabei hätte er gerne auf diese Rolle verzichtet, aber es war, wie es immer gewesen ist: Eine Frage musste beantwortet, eine Entscheidung musste gefällt werden. Alle wandten sich an Fred, keiner wusste, warum. Nicht mal seine kleine, gedrungene Gestalt war ihm dabei hinderlich; Männer, die zweimal so groß waren wie er, beugten sich zu ihm hinunter und senkten ihre Stimme um eine Oktave, bevor sie ihn direkt ansprachen. Männer, die ihn nie vorher gesehen hatten. Woher kam diese Autorität? Er selbst hatte keine Ahnung. Alles geschah über seinen Blick, sein Körper blieb dabei vollkommen unbeweglich. Es war ein Blick, der andere anzog, vielleicht auch wegen der Aggressivität, die man darin erkennen konnte, und die sich nicht recht festigen musste. In der Stadt bewegte er sich, als hätte er immer noch Leibwächter um sich herum. Eine unsichtbare Truppe mit ordentlich Waffenpotenzial, die bereit war, für ihn zu sterben. Wenn ihm etwas nicht passte, dann sagte er es, ohne auch nur die Stimme zu erheben. Wenn ein Junge mit seinem Mofa eine alte Frau streifte, packte ihn Fred am Kragen und verlangte, dass er sich entschuldigte. Ein Barmann, der schales Bier servierte, stach sogleich mit Freuden ein neues Fass an. Einer, der sich vordrängen wollte? Ein Fingerschnippen
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