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Malavita: Eine Mafia-Komödie (German Edition)

Malavita: Eine Mafia-Komödie (German Edition)

Titel: Malavita: Eine Mafia-Komödie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tonino Benacquista
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Eyeliner auf und stellte sich die Merchandising-Produkte vor, die zusammen mit dem Film auf den Markt kommen würden: Poster und Puppen, Belle-Puppen, die sie darstellten, sie, die Ikone der künftigen Zeiten.
    Zum letzten Mal betrachtete sie ihr Gesicht im Spiegel. Nur schade, dass sie nun gar nicht mehr miterleben konnte, wie wunderbar ihr Körper den Gesetzen des Alterns trotzen würde. Wäre sie einmal dreißig, würde man ihre Eleganz bewundern. Mit vierzig ihre Erhabenheit. Mit fünfzig ihre Reife. Und mit sechzig ihre Weisheit. Es war wirklich schade, diese wunderbare Entwicklung der Welt nun vorenthalten zu müssen. Auf ihren Schreibtisch legte sie einen Zettel, auf den sie gekritzelt hatte: Macht ohne mich weiter.
    Im Zimmer nebenan bereitete auch Warren seinen Abgang vor. Quintilianis Ausgangssperre hatte ihn zu einem schnelleren Handeln gezwungen. Ursprünglich wollte er irgendwann an einem Morgen im August wie gewöhnlich aufstehen und wie gewöhnlich frühstücken. Dann hätte er wahrscheinlich eine Radtour vorgetäuscht, die er mit seinen Freunden unternehmen wollte. Ein guter Vorwand, früh das Haus verlassen zu können und spät zurückzukehren. Dann wäre er zum Bahnhof gegangen und hätte um 10.10 Uhr den Schnellzug nach Paris genommen. Nun verließ er eben zwei Monate früher dieses FBI -Gefängnis, doch bis seine Familie ihn wieder zu Gesicht bekäme, würden einige Jahre ins Land ziehen. Vielleicht würden sie auch bei ihm, dem zukünftigen Paten, Zuflucht suchen.
    Er nahm sich wieder sein Notizheft vor, in dem er die einzelnen Etappen seiner Reise vermerkt hatte. In ein paar Minuten würde er zum Bahnhof gehen und den Extrazug um 14.51 Uhr nach Paris-Montparnasse nehmen. Von dort marschierte er zum Gare de Lyon, wo er in den Nachtzug nach Neapel steigen und in Domodossola problemlos die italienische Grenze passieren würde. In Neapel ginge er schnurstracks nach San Gregorio. In diesem Viertel würde er den Namen Ciro Lucchesi fallen lassen, das war der Boss eines Zweiges der Camorra in New York. Ohne dass er darum bitten müsste, brächte man ihn dann zu Gennario Esposito, dem capo der Region. Kaum einer kannte ihn persönlich, doch sein Schatten lag über ganz Neapel. Warren würde sich als Sohn des Verräters Giovanni Manzoni vorstellen.
    Verblüfft würde Gennaro ihn fragen, warum der Sohn des wohl berühmtesten Verräters aller Zeiten sich in die Höhle des Löwen wage … Und Warren würde ihn daran erinnern, dass Ciro Lucchesi seinem Vater einiges schuldete, denn der hatte einst eine FBI -Untersuchung verhindert, die Ciro gut und gerne für hundert Jahre hinter Gitter gebracht hätte. Heute nun bot der Sohn des Verräters dem Geretteten die Möglichkeit, seine Schuld zu begleichen. Er sollte für einen heimlichen und reibungslosen Transport des Sohnes in die Vereinigten Staaten via Neapel sorgen. Lucchesi bliebe nichts anderes übrig, als diese Bitte zu erfüllen, und so käme Warren ein paar Tage später im Hafen von New York an, im gleichen Alter übrigens wie einst sein Urgroßvater. Und alles begänne wieder von vorne. Warren würde sich seinen Platz suchen, sein eigenes Reich erschaffen und so den Namen Manzoni wieder reinwaschen. Wozu waren Söhne da, wenn nicht zum Korrigieren der Fehler ihrer Väter?
    In seinem Heimatland angekommen, würde er sich sehr unauffällig verhalten, nur kurze Reisen machen, dabei Englisch und manchmal auch Französisch sprechen und sich als ein junger Tourist ausgeben, der bald seine Eltern wiedersehen würde. Dazu würde er die Namen von Städten auswendig lernen, durch die er angeblich schon gekommen war, falls ihn jemand danach fragte. Er steckte ein paar Karten und Reiseinformationen, die er im Internet gefunden hatte, in seine Jackentasche. Mit deren Hilfe ließen sich bestimmt einige Geschichten für die Behörden erfinden. Dann packte er seine Waschutensilien in eine Plastiktasche. Sollte man ihn nicht für einen Vagabunden halten, musste er peinlichst auf Sauberkeit achten. Sich waschen und so viel wie möglich schlafen war wichtig, um einen frischen und ausgeruhten Eindruck zu hinterlassen. Was Geld betraf, davon hatte er genug. Dank der diversen Dienste, um die ihn seine Schulkameraden gebeten hatten und für die sie immer bezahlen mussten, entweder mit einem Gegendienst oder mit klingender Münze. Mit dem Geld konnte er Leute schmieren, falls nötig, in Hotels schlafen, sich Klamotten kaufen, sich ordentlich ernähren, Trinkgelder verteilen

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