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Malchatun

Titel: Malchatun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Tralow
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schüttelte sich ein wenig, und der herabgleitende Kaftan ließ sie mit ihren weißen Glaceledersandalen allein. Malchatun war unzart genug, hinzu-
    werfen, daß sie wohl nur mit der Brust zu tun haben würde, aber Daphne war nicht kleinlich. Sie raffte ihr einziges Kleidungsstück vom Boden auf und warf es nachlässig über einen Stuhl. Viel zu sehr hielt sie sich selbst für eine Augenweide, und Malchatun davon zu überzeugen lag ihr am Herzen. Ihr kleiner Aufschrei bei deren Eintritt war durchaus nicht Überraschung, sondern vielmehr Verwunderung gewesen, daß hier inmitten der tiefsten Provinz plötzlich eine Frau wie Malchatun dagewesen war. Aus der Verwunderung aber ergaben sich Bewunderung und Neugier, die weit über Daphnes Aufgabe hinausgingen. Aber danach fragte die Dame nicht. Sie folgte ihrer Eingebung auch jetzt. Denn was sie bewunderte, mußte < sie haben: schöne Kleider, Schmuck, Männer und Frauen.
    In ihrer Haut von der Farbe leicht getönten Elfenbeins stand sie ganz schlank auf ihren dünnen, wenn auch beschwingten Beinen. Um so satter quollen aus diesen noch kindlichen Formen die stark entwickelten Brüste, und während das junge Wesen wie im Erschauern die dunklen Mammellen zum Zittern brachte, umfingen ihre Nachtschattenaugen Malchatun mit allzu betonter Unschuld.
    »Setzen Sie sich«, befahl Malchatun völlig ungerührt.
    Und damit begann die Untersuchung.
    »Au! Oh!« schrie Daphne, als Malchatun die Leistengegend berührte.
    »Haben Sie dort Schmerzen?«
    »Unerträglich! Oh, Euer Wohlerfahrenheit «
    »Seltsam«, unterbrach Malchatun, »vorhin sei es, meine ich, die Brust gewesen?«
    »Ja, da auch. Aber hier ebenfalls. Und dann . . .«
    Daphne war willens, eine sehr umfangreiche Beschreibung ihrer Leiden zu geben, als sich zwei schmale, aber feste Hände ihr auf die Schultern legten und sie herumdrehten. Auge in Auge sah Daphne sich nun Ihrer Wohlerfahrenheit gegenüber. Zwei blaue Augen sah sie, nichts als die Augen. »Daphne Kontophres«, bemühte Malchatun sich der Gerechtigkeit wegen
    um Strenge, »wollen Sie mir nicht lieber gleich sagen, warum man nach mir geschickt hat?«
    »Ich? - Aber Euer Wohlerfahrenheit . . .«, versuchte Daphne zu schmollen.
    Doch Malchatun war schon aufgestanden und hielt ihr den Kaftan hin. »Sagen Sie mir nicht, daß Sie krank seien. Ich wünsche allen Menschen eine Gesundheit wie die Ihrige.«
    Wenn Daphne auch nicht ohne Anlehnungen in die Ärmel schlüpfte, so fühlte sie sich durch dieses abkürzende Verfahren dennoch nicht wenig gedemütigt. Als sich daher der Vorhang wieder über ihren Reizen schloß, war das ärgerliche Aufstampfen ihres weißsandalten Fußes so echt wie nur möglich.
    »Ich hab’ es ihm ja gleich gesagt!« rief sie.
    »Wem?«
    »Ihm natürlich!«
    »Kir Manuel?«
    »Selbstverständlich meinem Mann!«
    »Und was haben Sie ihm gesagt?«
    »Daß ich zum Krankspielen nicht tauge. Ja, mit einem nassen Tuch um den Kopf wäre es vielleicht geglückt. Sagen Sie selbst? Aber Sie kamen eher, als ich gedacht hatte, und so war alles von Anfang an verdorben. Wenn Euer Wohlerfahrenheit nur etwas später . . .«
    »Lassen wir meine Wohlerfahrenheit«, schlug Malchatun vor. »In Konstantinopel mag man Ärzte so anreden. Aber hier . . .«
    »Sie gehörten nach Konstantinopel«, erklärte Daphne mit liebenswürdiger Bestimmtheit. »Und wenn Sie erst einmal dort gewesen wären, würden Sie nie mehr fort wollen. Hier ist es grausam. Kennen Sie das entsetzliche Loch, das sich in Eskischehr >Schloß< nennt?«
    »Ich denke, ja«, lächelte Malchatun. »Einen großen Teil meines Lebens habe ich dort zugebracht.«
    »Schrecklich!« flüsterte Daphne, so völlig hatte sie die weniger glanzvollen Anfänge ihres eigenen Lebens vergessen. »Aber Sie waren eben nie in der Stadt. Oder waren Sie?«
    »Wenn Sie unter >Stadt< Konstantinopel meinen - nein, dort war ich nie.«
    »Eine andere Stadt gibt es nicht«, erklärte die Dame vom Bosporus, um dann von den Herrlichkeiten zu schwärmen, die zu verlassen sie verleitet worden sei. Weniger freilich von der Hagia Sophia sprach sie und von den andern Märchenbauten, vom Augusteon nicht und der unvergleichlichen Lage der siebenhügeligen Stadt zwischen den Meeren - dafür um so mehr von Gewändern und Zierat, von dem überwältigenden Glanz höfischer Empfänge und der Meza, der großen, meilenlangen Kaufstraße mit ihren Basaren.
    Und nun erwies es sich, daß Gottes- und Rechtsgelehrsamkeit und Heilkunde alle

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