Malchatun
Erfüllung. Wie kannst du auf Erfüllung hoffen, wenn du schweigst?«
Wie eine ferne Prinzessin aus dem Märchen sei Malchatun. Was habe er da auf Erfüllung zu hoffen? Er sei der Mann nicht, wachsame Drachen zu überlisten oder seltsame Rätsel zu lösen. So dachte Osman und wußte zu seinem Glück nichts über das Rätsel von Malchatuns Zurückhaltung. Nicht mit dem Hauch eines Gedankens kam sein argloses Gemüt auf Salmenikos als die Ursache seiner Leiden.
»Und entbehren?« hörte er Manuel auf sich einreden. »Warum entbehren? Einem strammen Kerl wie dir kann es doch nicht fehlen -«
»Schweig, Bruder, ich bitt’ dich.«
Aber bei einem Männergespräch über Frauen war Manuels Beredsamkeit so leicht nicht zu stillen.
»Hinter welcher Burgmauer steckt sie?« versuchte er Osman. »Ich helfe dir, sie herauszuholen«, bot er sich ganz im Ernst an. Zu gern hätte er sich den Einflußreichen durch einen gemeinsamen Frevel verbunden.
»So schweig doch!« wies ihn Osman aber zurecht.
»Hab doch keine Angst, Bruder«, ließ Manuel dennoch nicht locker. »Wenn dir ein Weib spröde tut, lüstet es sie nur danach, daß du dich ihr mannhaft erweisest. Wäre ja eine Schande, wenn ein Mann im besten Stall wie du darben sollte. Glaub mir: Greif der Zimperlichen nur dreist unter das Kleid und tu ihr, wozu sie erschaffen ist - hinterher schleckt sie dir noch die Hand ab.«
Manuels kollerndes Lachen verstummte jäh. Mit glasigen Augen starrte er in Osmans zornsprühendes Antlitz.
»Schamloser«, rief Osman, »von wem redest du so? Wisse, daß es Scheich Edebalis Tochter ist, an die ich denke. Einen Moslem nennst du dich und kennst nicht die vierundzwanzigste Sure, die medinesische, genannt >das LichtDiejenigen<, heißt es dort, >die züchtige Frauen verleumden, die geißelt mit achtzig Hieben und nehmt nie mehr ihr Zeugnis an, denn es sind Frevler.< Und ferner im dreiundzwanzigsten Ajat: >. . . sie sind verflucht hienieden und im Jenseits und empfangen gewaltige Strafe.< Warum sprichst du, ein Bekehrter, zu mir wie ein Grieche ohne Scham und ohne Ehrfurcht vor Allahs Gebot?«
»Himmel!« rief Manuel. »Welch eine Gelehrsamkeit! Sicher bist du der weiseste unter den Schülern Edebalis.«
»Ich bin ein Nichts«, sagte Osman, »hätte Edebali mir sonst wohl seine Tochter verweigert? Und dir laß sagen: Da du mein dürftiges Wissen mit Weisheit verwechselst, steht es schlecht um deine Bekehrung.«
Manuel gedachte weniger seiner Bekehrung als der Siege, die er so oft über Frauen davongetragen habe, und begegnete der trunkenen Aufwallung des Jüngeren mit Herablassung und
Nachsicht. Er verstand ihn gar nicht. Um sich wie Osman ganz an das männliche Phantasiebild von einer Frau verlieren zu können, besaß er zu wenig Phantasie und empfand er, obwohl er das Gegenteil glaubte, zu wenig als Mann. Sein nie gestilltes Verlangen galt dem Rausch der Körper, dem er mit mancherlei knifflichen Würzen aus der Untergrundküche des Geschlechts immer neue Auftriebe zu geben gelernt hatte. Wie hätte er also nicht über Osman lächeln sollen?
Er hörte von Edebalis Tochter, und sogleich stand Selmas, der blonden Mutter, Antlitz und Gestalt wieder vor ihm. Sein Erinnerungsvermögen war vortrefflich, und daß Edebali und nicht er selbst der Vater von Selmas Kind geworden war, hatte keineswegs an ihm gelegen. Nicht ganz mit Unrecht hatte der alte Kontophres Malchatun gegenüber vermutet, Selmas Ehe mit Edebali sei eine Flucht vor Manuel gewesen. Und so entsprach es auch demselben Manuel, daß seine Neugier auf die Tochter einer Frau, die ihm als Mädchen entschlüpft war, im gleichen Augenblick erwachte, da er von ihr vernahm.
»Wie heißt die Hanum?« fragte er höflich und räumte Malchatun mit diesem Titel bereitwillig den Rang einer Dame ein.
»Wir nennen sie >Malchatun<, die Schatzfrau, die liebe Herrin«, übersetzte Osman ins Arabische, »aber Edebali gab ihr den Namen >Kamerije<.«
» >Schönheitsmond »Selmas Tochter ein Vollmond der Schönheit . . .«
»Selma?« stutzte Osman und erinnerte sich dann des Namens von Malchatuns Mutter. »Du hast sie gekannt, Bruder!« freute er sich zugleich über die Entdeckung eines verwandtschaftsartigen Verhältnisses zum Trinkgenossen. »Malchatuns Mutter war deine Pflegeschwester.«
Er hätte aber nicht wissen dürfen, daß der andere im Hinblick auf Selma zu der Überzeugung gelangt war, seine Gespielin und Pflegeschwester gehöre nach
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