Malchatun
römischem Recht als Findling dem Grundherrn, nämlich dem alten Kontophres, und später ihm, dem Erbsohn. »Ich war alles andere als ein Heiliger«, sagte Manuel jetzt aus seinen Erinnerungen heraus.
»Du auch nicht?« verriet sich Osman, und Manuel war nicht der Mann, es zu überhören.
»Ist das der Grund«, fragte er, »warum man dir die Hanum nicht geben will? Wegen deiner Mädchen?«
Osman seufzte.
»Ich sei flatterhaft, sagen sie. - Aber ich schwöre dir«, fuhr er lebhafter fort, »seit ich sie - seit ich Malchatun sah, habe ich keine andere mehr angeredet. Das ist die reine Wahrheit. Keine einzige mehr.«
»Doch vorher waren es genug«, meinte Manuel trocken. Was konnte Osman erwidern? Er hatte die unbequeme Gewohnheit, bei allen Mißgeschicken die Ursache immer zuerst bei sich selbst zu suchen.
Manuel aber fühlte sich angenehm durch den Gedanken berührt, daß er mit Osman doch viel gemein habe, wobei er an den eigenen wohlerworbenen schlechten Ruf dachte. Dennoch irrte er sich. Zwischen ihnen war ein großer Unterschied: Osman war vordem immer nur weiblichen Neigungen erlegen, und darum wurde es ihm auch so schwer, dieses eine Mal, da er selbst liebte, bei Malchatun, sich mit einer Zurückweisung abzufinden. Manuel dagegen, dem von den Frauen selten etwas erspart worden war, hatte sich in dieser Lage viel häufiger befunden.
Von Selma jedoch erzählte Manuel nichts. Mit einem letzten Rest von Besinnung hielt er sich zurück, um lieber Osman von der Tochter sprechen zu hören.
Ein junger Mann sprach von seiner Geliebten und dachte an nichts als an sie. Von dem Lächeln des älteren Hörers war er durch eine Sternenwelt getrennt. Denn vielerlei kann Liebe bedeuten, auch die Anbetung einer jedem Zugriff entrückten Göttin.
Wohl dem Jüngling, der beten kann. Mit nichts und durch keine Tat vermag das im Fleisch wandelnde Abbild der Angebeteten das Gebet zu trüben. Es ist das Geschenk des Barmherzigen und geht zu Ihm, in jedem Bilde ist Er, und immer das Gebet an Ihn gerichtet.
So sprach Osman von Malchatun.
»Wisse, mein Manuel«, begeisterte er sich, »in meinen Gedanken ist sie oft. Und eine Ulme sah ich aus ihr wachsen, und dann war sie die Ulme. Immer größer wurde sie in der Schönheit ihres Wuchses, immer weiter breitete sie ihre Zweige, weit über Länder und Meere bis an der Erde äußersten Rand. Aus ihren Wurzeln sprangen Quellen und umrieselten die Rosenbüsche der edenischen Flur. Tausendstimmige Nachtigallen nisteten in ihren Zweigen und kosten im Schatten ihrer bergenden Krone, und ein seliger Wind erhob Blätter und Zweige in einer einzigen Woge zu Gott.«
»Amin«, sagte Manuel und brauchte kein Lächeln mehr zu verbeißen. Wohl sei Osman verrückt, war seine unumstößliche Meinung, daran sei nicht zu zweifeln, doch keine Gewöhnliche könne ein Mädchen sein, das aus dem sonst leidlich vernünftigen Burschen einen solchen Irrsinn hervorgezaubert habe.
Von Malchatun zu hören, wurde er aber nicht müde. Zwar war er gescheit genug, seine jüngste Begierde zu verbergen, den andern jedoch durch leicht hingeworfene Fragen am Sprechen zu halten war gar nicht schwer.
Auch über Tatsächliches, was Manuel vor allem zu wissen begehrte, erhielt er auf diese Weise Auskunft: über Malchatuns strahlende blaue Augen, ihre leicht gebogene, schmalrückige Nase, den rätselhaften Mund, das kupfrige Haar, über ihren weit ausgreifenden Gang, ihre Haltung im Sattel und selbst über ihre gewohnte Kleidung aus einem hellgrauen Gewand und den weißen Hosen. - Daß die näheren Einzelheiten ihres Körpers sich unter diesen Gewändern allen Blicken entzogen, gereichte Manuel zu einer seltsamen Genugtuung, die nur durch seinen stillen Wunsch zu erklären war, vom Befund der Beine und Schenkel und aller anderen vermutlich schönen Dinge sich lieber selbst und als erster zu überzeugen.
Manuel war mehr für die Handgreiflichkeiten seiner Freuden, und wenigstens in seinen Gedanken mußte er solchen Regungen nachgeben, auch dann, wenn sie nur zu einem Verzicht führen konnten. Denn im Augenblick lag ihm an Osmans Freundschaft mehr als an einem noch so vielversprechenden Mädchen, und sei es der spröden Selma eigenwillige Tochter und nach seinem hartnäckigen Vermeinen sein Eigentum.
Mehr noch stachelte Manuel freilich der Reiz, in der Tochter die bereits verstorbene Mutter noch nachträglich zu genießen.
»Du wirst sie sehen«, sagte Osman, ohne auch nur im geringsten zu ahnen, auf welche Weise es
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