Malchatun
geworfen. Das hat mir gleich an ihr so gefallen, und die Beule war auch nicht schlecht, kann ich euch sagen! Mit der läßt sich doch reden. Bei der braucht man nicht erst lange Gedichte aufzusagen, wenn man sich in der Jurte zu ihr aufs Fell legen will.«
Was in Medina, Kairo oder Damaskus ein Greuel gewesen wäre, geschah hier unter den Augen zahlreicher Derwische und Molla: Frauen und Mädchen bedienten die Männer mit Kumys und Schnaps und hockten sich zum Essen und Trinken zu ihnen auf den Boden. Die Molla waren froh, wenn sie diesen trotzigen Bekennern des Islams ihre Schamanen und Geisterbeschwörer ausreden konnten - an die Gleichberechtigung der Frau in allen Dingen wagten sie sich nicht. Die Frauen der Mongolen, Tataren, Türken und Turkmanen taten Männerarbeit und feierten ihre Feste mit den Männern. Haremsbehütete kostbare Geschöpfe waren sie nicht, und es war ihnen vollkommen gleichgültig, was die feinen Leute darüber dachten. Sie kannten gar keine feinen Leute.
»Sagt’ ich es nicht!« prahlte Konur. »Turakina bringt uns was Scharfes!«
Aber nicht nur die eine, auch andere handfeste Mädchen aus den ersten Jurten des Stammes stellten sich ein, um die Arrjka nicht allein den Männern zu überlassen. Außerdem umwob Osmans Alpe auch der Ruf kühner Draufgänger, von denen sich etwas erwarten lasse.
Und es sei eine Schmach, erklärte Torghud in Anbetracht dieser doppelten Genüsse von Mädchen und Schnaps, wenn Osman nicht zu ihnen herauskäme.
»Der?« höhnte aber Aighud. »Kannst du Verse machen und deklamieren ?«
Nein, das könnten sie nicht, meinten die andern, und Aighud schon gar nicht!
»Nun eben«, meinte der Geschmähte seelenruhig, »daß ich es nicht kann, braucht ihr Dummköpfe mir nicht erst zu sagen. Osman aber kann, und was ihm noch abgeht, wird >sie< ihm schon beibringen. Sagt euch also selbst, ob sie es ihm erlauben wird oder nicht. Das ist keine wie Turakina, die mit Melkschemeln schmeißt. Das ist eine, die flötet nur, und dann tust du, was sie will. Ich möchte so eine nicht. Ich meine, zur Frau«, verbesserte er sich, »denn sonst . . .«
Es war aber gerade derselbe Augenblick, in dem Malchatun sich anschickte, Osman auf die Festwiese zu folgen.
»Du vergaßest deinen Schleier, Kamerije«, mahnte Edebali.
»Ich vergaß ihn nicht, Vater«, sagte sie, obwohl sie sehr wohl wußte, wie schmerzlich er es mißbillige, daß sie überhaupt das Haus verlassen wolle.
»Dann vergaßest du, daß du eine Koreischitin bist.«
»Ich vergaß auch dies nicht. Aber jetzt bin ich zudem noch eine Türkin aus dem Stamme der Ertoghruloghli. Soll ich mich anders verhalten als deren Weiber? Es wäre recht ungeschickt, Scheich«, mahnte sie.
»Aber heute, vor all den Molla . . .«, wand er sich.
»Gerade heute vor all den Molla und Derwischen und dem Kapidschi Sultan Alaeddins!« blieb Malchatun fest entschlossen. »Die Ertoghruler werden es mir anrechnen. Und wenn wir genau nachdenken, Vater, müssen wir zugeben, daß sie so unrecht nicht haben. Mir wenigstens hat es nie gefallen, daß die Braut und die Frauen bei einer Hochzeit in ihren Zimmern bleiben sollen, indes die Männer deren Fest feiern. Denn eine Hochzeit hat doch wohl immer auch etwas mit Frauen zu tun.«
»Man sollte nicht 'glauben, daß du den Koran auswendig kennst, mein Kind, jedenfalls den größeren Teil von ihm«, flüchtete sich Edebali hinter die Konvention.
»Ich bin hier geboren und gehöre zu denen da draußen, unter denen ich aufwuchs. Auch Perid gehört zu ihnen«, flüsterte sie ihm noch zu, »und wenn du sie dir als deine Freude bewahren willst - laß sie gewähren.«
Als sich Malchatun nach diesen Worten - begleitet von Osman - nach draußen begab, war sie zu jeder Fröhlichkeit aufgelegt und keineswegs gesonnen, sich einem Volksfest zu entziehen, zu dem sie selbst die Veranlassung gegeben hatte.
»Da sind sie!« schrie Torghudalp begeistert. »Hab’ ich es nicht gleich gesagt, ihr Kalbsköpfe, hirnrissige ihr! Natürlich ist Osman gekommen, und die Hanum ist bei ihm. Laßt sie uns begrüßen. Sürün! Vorwärts!«
Aus allen Zelten kamen sie, von allen Feuern sprangen sie auf: Jungkerle, Mädchen, Männer und Frauen. Am liebsten hätten sie Osman auf die Schultern gehoben und herumgetragen. Doch Malchatun war bei ihm, und an die wagte sich keine Männerhand. Was hätte demnach mit Malchatun geschehen sollen? Sie wäre gezwungen gewesen, nebenherzulaufen, und darum ließ ein natürlicher Takt selbst
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