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Malchatun

Titel: Malchatun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Tralow
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Alaeddin sei ja bereits bis Kutahie vorgerückt, und nun habe er wohl einen seiner Hofleute mit Glückwünschen zur Hochzeit Osmans und Malchatuns geschickt. So also sehe ein kaiserlicher Kämmerer aus? Ganz in Scharlach! Dündar mochte sich wehren, wie er nur konnte: ein Schauer lief ihm über den Rücken, als er an die hohe Ehre dachte. Doch vielleicht gelte diese Ehre vor allem dem gelehrten Edebali? wurde er dann mißtrauisch. Der Sultan möge seine Gründe haben, sich mit dem Alten gut zu stellen, mit ihm und dessen hochnäsiger Tochter, die es sich erst lange habe überlegen müssen, ob sie nicht vielleicht doch zu gut sei für den Neffen eines Dündar aus dem hohen Geschlecht des Kai. Freilich könne Osman ebenfalls gemeint sein. Aber zugleich mit dem Stolz auf die der Familie erwiesene Auszeichnung stieg im Oheim auch schon der Ärger darüber herauf, daß gerade Osman ihrer teilhaftig geworden sei, obwohl die Hohe Pforte die weit größeren Verdienste eines älteren
    Familienmitgliedes bisher niemals zu bemerken geruht habe. Erst die tiefe Verneigung des Abgesandten konnte Dündar ein wenig besänftigen. Er stieg aus dem Sattel. Man solle von ihm in Konia nicht sagen, daß auch er nur ein Ochsentreiber sei. Von ihm nicht!
    Geradezu gnädig wurde Dündar. Durch nichts verriet er, wie sehr er der Heirat mit seinen Flüchen für die Hochzeiter und deren Kinder und Kindeskinder widerstrebt hatte. Daß der Kämmerer nicht erst Osmans Erscheinen abgewartet hatte, sondern ihm, dem Oheim, als erstem seine Aufwartung machte, betrachtete Dündar als Beweis guter Sitte. Denn schließlich war seine Überzeugung - sei er in Abwesenheit Ertoghruls zweifellos das Oberhaupt des Geschlechtes, und so komme die Ehre der Gesandtschaft ihm zu und keinem andern. Huldvoll lächelte er daher den Scharlachenen an und gab Worte des Wohlwollens von sich, wie man sich nicht erinnern konnte, sie jemals von ihm gehört zu haben. Dafür galten sie aber auch ausschließlich dem Sultansgesandten.
    Sogar einen Namen hatte der treffliche Mann. Er hieß Belgutai.
    Ganz fromm fühlte Malchatun.
    Bei ihrer Trennung von Salmenikos hatte sie sich wohl ausdrücklich zum Islam bekannt, aber noch mehr zu dessen Bekennern als zur Lehre. Sie stand zwischen den Religionen.
    Ohne eigentliches Wissen und Wollen hatte sie einen schiedsrichterlich erhabenen Standpunkt eingenommen. Er hätte ihr gefährlich werden können, wenn ihre Selbstkritik nicht gewesen wäre und ihr beharrlicher Verstand. So aber hatte sie mit den Vorurteilen keineswegs auch zugleich Gott und alles Geistige abgestreift, sie sah eher mehr von Gott als die andern, als ein Einigendes sah sie ihn und nicht als Trennendes. Bei dem Vergleich der Mystik des Islams mit der christlichen Gnosis war es ihr schon nicht mehr möglich gewesen, grundsätzliche Unterschiede anzuerkennen. Die ursprünglichen Lehren hatte sie im brünstigen Verlangen der Gläubigen nach der Nähe Gottes sich in dichterische Symbole verwandeln sehen. An Stelle der Worte seien Bilder getreten, war ihre Meinung, und aus den Bildern sei die Begierde über die wilden Gottsucher gekommen, in dem großen Drama der Dämonen selbst Rollen zu übernehmen. Auch hatte sie sich nicht täuschen lassen und der Entfesselung des Fleisches und dessen Besiegung durch Übersättigung den gleichen Platz angewiesen wie der Abtötung des Fleisches durch Askese. Sie bezweifelte nicht die Methoden, sondern das Ziel. Abtötung sei ebenfalls eine fleischliche und keineswegs eine geistige Überwindung. - Nur daß die christlichen Kirchen die Gnosis als Ketzerei verdammten, während die Moslemin die Gräber ihrer mystischen Scheichs in hohen Ehren hielten, gereichte Malchatun als ein Zeichen höherer Toleranz des Islams zu einer leichten Genugtuung.
    In diesem Augenblick aber war das alles, als sei es nie gewesen. Nicht mehr schaute sie aus der Höhe dem menschlichen Ringen und Irren teilnehmend oder gelassen zu. Sie sah sich vielmehr in eine tagesnahe religiöse Zeremonie mit ihren Gefühlen verstrickt, die sich darin durch nichts von denen anderer Sterblicher unterschieden.
    Malchatun war keine Prinzessin, und sie sollte weder einen Prinzen heiraten noch in einen der feinen Harems von Konia oder Angora eintreten. Die Haremszeiten ihrer väterlichen Familie lagen so weit zurück wie die Zeiten, da Bitynien noch eine Kornkammer gewesen war. Jetzt lebte man hier in einem versteppten Land und unter Ruinen. In Seraidschik stand kein Hofmarschall oder

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