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Malchatun

Titel: Malchatun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Tralow
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Osmans Alpe verzichten. Geringer war die Freude deswegen nicht. Im Gegenteil! Gerade Malchatuns Erscheinen, so vertraut die Priestertochter allen sonst war, hatte bei dieser Gelegenheit niemand erwartet. Sie halte sich also nicht für zu vornehm und bekenne sich zum Stamm, schwellten die Ertoghruler vor Stolz. Ertoghrulerin sei Malchatun seit heute! Und die Männer haben sich mal wieder in ihrer ganzen Unvollkommenheit offenbart, lachten die Mädchen ziemlich laut und stießen sich an. Und dann packten sie zu, und dann hatten sie sie, und auf den Armen und Schultern kräftiger Melkerinnen schwebte Malchatun jubelumbraust empor.
    War sie nun eine Königin oder nicht? - Sie sei es, war ihre eigene Meinung, und kein Mensch auf der Festwiese von Seraidschik dachte anders.
    Besser würde man sagen: Fast kein Mensch auf der Festwiese dachte anders.
    Denn daß es einen so noblen Herrn wie den Kapidschi Belgutai aus Konia befriedigen solle, eine Frauensperson von andern ebenso entarteten Frauen durch eine kreischende, wild gewor-dene Menge, durch einen Wald fuchtelnder Arme getragen zu sehen das konnte, bei Allah, niemand von ihm verlangen. Denn immerhin hatte Belgutai, obwohl ein Mongole, sich wie viele andere unter dem Ilkhan Achmed zur reinen Lehre bekehrt und kannte sich in den Künsten und Wissenschaften weit besser aus als im Herdentrieb und der Fohlenzucht. Des alten Dündar Zustimmung aber war überhaupt durch nichts zu erringen. Wäre Malchatun im Hause geblieben, hätte es ihn verdrossen. Und nun sie auf der Festwiese erschienen war, grollte er ebenfalls. Daß sie und Osman nun gar in einer Weise gefeiert wurden, wie es ihm selbst nie widerfahren war, erregte seinen Zorn noch über Groll und Verdruß.
    Doch so seien die Menschen heute nun einmal geworden, sagte er, als ersieh mit dem Kapidschi in seine Jurte zurückzog: völlig verkommen und bar jeder Zucht. Zu seiner Zeit . . .
    Der Kapidschi Belgutai fühlte sich freilich dem äußeren Anschein nach ganz behaglich. Jedenfalls erfreute sich Dündar dieser Zuversicht, und beinahe wäre er der Versuchung erlegen, dem Gast einiges Wohlwollen zu bezeigen. So recht gelang ihm das allerdings nicht; aber Belgutai war was Dündar nicht wissen konnte in Geschäften hier, und so kam es auf Gefallen oder Mißfallen nicht an. Er hatte Dündar zu ertragen, weil er sich seiner noch zu bedienen hoffte.
    Der Kapidschi war nämlich nicht ganz das, was er zu sein schien. Mit seiner Eigenschaft als Sultan Alaeddins Kämmerer hatte es wohl seine Richtigkeit. Er war es der Bestallung und der Funktion nach. Wie viele mongolische Moslemin hatte er gern eine Berufung ins Ausland angenommen, um den ersten Stürmen einer Wiederherstellung der alten Väterreligion unter dem jetzt regierenden Ilkhan Argun zu entgehen. Doch den Umstand, daß der Eunuch Schermugan und nicht er, Belgutai, Sultan Alaeddins Wesir geworden war, konnte der ehrgeizige Mann nur als bedauerlichen Mißgriff betrachten, und daß Schermugan außerdem auch noch Barvannah, offizieller Resident und Vertrauensmann des mongolischen Hofes, zu Täbris
    sein sollte, schien ihm vollends jedes vernünftige Maß zu übersteigen. In dieses Zuviel an Würde hatte Belgutai sich denn auch eingehakt, und tatsächlich war kaum zu leugnen, daß Schermugan weit mehr Sultan Alaeddins Wesir als Ilkhan Arguns Barvannah sei. Es war eine Zeit der Auflösung. Nicht nur das weströmische Imperium der Deutschen, Byzanz, die ikonische Pforte kämpften um ihre Selbstbehauptung - auch die Macht der Mongolen schwand dahin, und vor allen Nachfolgeherrschaften des Dschingis war es die der persischen Ilkhane, deren Bestand gefährdet war. Allerdings hatten Alaeddin und Schermugan die Zeitmaße des Verfalles vielleicht ein wenig überschätzt. Zwar konnte die mongolische Oberhoheit über das seldschukische Reich nicht mehr mit der selbstverständlichen Despotie von ehedem geltend gemacht werden; darum war aber Ilkhan Argun keineswegs geneigt, sie stillschweigend aufzugeben und sich mit einigen Ehrenvorrechten abspeisen zu lassen. Statt eines Barvannah, der es nur noch dem Namen nach war, ließ er sich daher gern einen geheimen, dafür aber um so wirksameren Vertreter seiner Interessen in Konia gefallen, und der war - Moslem oder nicht - der Mongole Belgutai, Alaeddins Kämmerer und Stellvertreter bei Osmans Hochzeit mit Malchatun. Der Ilkhan brauchte Männer wie Belgutai. Er konnte weder wünschen, daß sein Vasallenstaat von Byzanz überrannt wurde, noch

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