Malefizkrott
Punkte rieselten nicht heraus, aber ich fand beim Durchblättern drei oder vier weitere Krabbeltiere von Millimetergröße. Gab es Buchläuse?
Das war jetzt nicht zu klären.
Ich ließ mir von Sally einen Gefrierbeutel geben, tüte te und knotete das Buch darin ein und legte es vor die Wohnungstür. Eine halbe Stunde verbrachte ich anschließend mit der Jagd nach schwarzen Punkten in Sallys Schlafzimmer. Die wenigen, die ich fand, stippte ich mit einem eingespeichelten Kaugummi auf, drei auf dem Nachttisch, einen an der Nachttischseitenwand und einen auf dem Bettlaken. Ich zog sogar das Laken ab und hob die Matratze an, aber ich fand keinen weiteren. Die Apokalypse war glimpflich verlaufen.
Diese Einschätzung teilte Sally allerdings nicht. Ich konnte sie nicht überzeugen, wieder in ihr Bett zurückzukehren. Nicht, bevor sie es desinfiziert hatte. Aber immerhin streckte sie sich auf dem Sofa im Wohnzimmer aus.
12
Den Vormittag verbrachte ich in der SPYWRLD in Plieningen {10} . Der Laden war ein Unikat in Deutschland, diskret in der Filderstille eines Stuttgarter Vororts nahe der Messe gelegen. Unter dem spöttischen Augenauf schlag von Sean Connery in seiner besten Rolle schilderte ich dem jungen Mann in Jeans und Sakko mein Anliegen. »Ich möchte alles, was um mich herum passiert, filmen.«
Er legte mir eine Auswahl an Kameras vor, in Armbanduhren, in Kugelschreibern, im Gestell einer Sonnenbrille, in einem Buch, einem Lippenstift. »Zwei Megapixel. Für die Größe gut, viele Handys haben allerdings heute schon mehr. Das reicht zur Personenerkennung, aber ein Autokennzeichen in dämmriger Seitenstraße kriegen Sie damit nicht scharf. Per integriertem USB-Stecker können Sie die Daten hinterher auf Ihren Computer übertragen und auswerten. Funkkameras sind leider verboten, aber Sie sagen ja, Sie arbeiten ohnehin alleine.«
Das war in Ordnung. »Und was gibt es für hinten? Ich möchte auch wissen, was hinter meinem Rücken vor sich gegangen ist. Vor allem das.«
»So eine Kamera kann man in fast jeden Alltagsgegenstand einbauen.«
»Nur, was trägt man auf dem Rücken?«
»Für eine Haarspange ist Ihr Haar leider zu kurz.« Er schien es zu bedauern.
Ich bedauerte es ausnahmsweise auch. »Kurzes Haar ist viel praktischer. Trocknet auch schneller. Da müssen Sie mir doch recht geben.«
Er gab mir recht, deutete allerdings an, dass er zwar die Annehmlichkeiten schnell trocknenden Haars genoss, sich dafür aber jeden Morgen rasieren müsse. In derselben Zeit könne man sich am Morgen doch ein bisschen frisieren. Er sagte nicht »nett machen«. Die Kundin ist Königin. Ich schätze, seine Kunden waren mehrheitlich Männer, die nach Überwachungstechnik für herumscharwenzelnde Ehefrauen suchten.
»Aber Sie tragen doch sicher eine Tasche«, überlegte er und ging an einen Schrank. »Zum Beispiel so eine.«
Es war eine von denen, die man mit breitem Band quer über dem Körper trug. Sie enthielt das Rundumsorglospaket in Gestalt eines Ohrstöpselfunksystems für drei Leute, eines Raummikros samt Aufnahmegerät, eines GPS-Verfolgungsgeräts für unterm Auto und eines kleinen Klappcomputers fürs schnelle Auslesen der Daten aus allen möglichen Datenspeichern von Chipkarte über USB-Stick bis Mini-USB von Handys und natürlich dem GPS-Verfolgungsgerät unterm Auto. Im Schultergurt besaß sie eine Reihe von schmückenden Gürtelschnallenlöchern, in denen man leicht eine Minikamera platzieren konnte. »Das Auge auf Ihrem Rücken.«
Als Dreingabe bekam ich noch Detektoren für elektronische Wanzen und Kameras. Ich ließ ein Vermögen in dem Spionladen und überlegte, ob ich es Michel Schrader in Rechnung stellen sollte, falls es sich als wahr erwies, dass jemand seine Tochter töten wollte, und natürlich vorausgesetzt, es gelang mir, sie vor dem Tod zu bewahren.
Über Mittag hakte ich to dos ab: Cipión rausschaffen, mit der Spionagetechnik üben und im Internet nach Buchläu sen suchen. Es gab sie wirklich, sie hießen eigentlich Staubläuse, eroberten gern frische Tapeten in feuchten Räumen und lebten von Stärke, die sich in Tapetenkleister und wohl auch Druckerschwärze befand. Trockenheit, Hitze oder Kälte machte ihnen den Garaus. Gut, dass ich gestern Nacht noch Sallys Hanni und Nanni im Gefrierbeutel in mein Eisfach gelegt hatte, weil man das mit Kuscheltieren, die von Kopfläusen befallen waren, auch so machte. Buchläuse waren entschieden harmloser.
Große Entwarnung für Sally.
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