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Malefizkrott

Malefizkrott

Titel: Malefizkrott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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ihre Häuser zu hoch, um tagsüber viel Sonnenglut aufzunehmen.
    »Ich glaube, das war er«, sagte ich. »Wenn man seine Fähigkeit bedenkt, unsichtbar zu …«
    Richard legte den Finger an die Lippen. Denn Sally trat eben aus dem Lokal und brachte Tauben Spitz nach draußen, eine Limonen-Limonade mit Kokosmilch und einem Schuss Cointreau, den sie für Richard wegließ, obgleich erst er dem Drink seine Note nostalgischer Tristesse verlieh. Meine Mutter hatte, wenn sie meinte, ein Recht auf Zorn zu haben und sich beruhigen zu müssen, dieses Zeug aufgeschraubt und mit zitternder Hand in ein Schnapsgläschen gegossen.
    »Und Durs hat lauthals bei Walfisch Socken ver langt«, sagte ich, damit Sally nicht das Gefühl hatte, wir hätten ihretwegen das Gespräch unterbrochen. »Es war eine Demonstration.«
    Sally lachte. »Socken in einem Buchladen?«
    »Walfisch ist kein Buchladen«, erklärte Richard. »Das Unternehmen betreibt seine Geschäfte nach rein wirt schaftlichen Kriterien, so wie man Mode verkauft, Din ge, von denen man weiß, dass viele sie wollen.«
    »Und was ist so schlecht daran?«, fragte Sally. »Wenn die Leute das nun mal wollen?«
    Richard schaute sie verwundert an. Was macht den Unterschied zwischen Büchern und Socken? Ihm war es sonnenklar. Aber wie erklärte man das Sally, die soeben eine nagelneue Matratze an Buchläuse verloren und alle Bücher gleich mit entsorgt hatte?
    »Geh mal zu Wittwer rein oder zu Lindemanns. Da findest du …«
    »Den Teufel werd ich tun. Dieses Dreckszeug kommt mir nicht mehr ins Haus.«
    »Zum Glück gibt es ja heutzutage elektronische Buch träger«, bemerkte ich, »und E-Books, da brauchst du dei nen Musil nur draufzuladen.«
    »Was ich eigentlich sagen wollte, Sally«, beharrte Ri chard, »bei Wittwer steht auch einer wie Sloterdijk …«
    »O ja!«, jubelte Sally. »Schlotterteig! Davon habe ich immer geträumt.«
    Richard kniff Indignation in die Mundwinkel. »Eben das meine ich, Sally. Dir würde im Traum nicht einfallen, nach einem solchen Autor zu fragen.«
    Schon gar nicht nach dem! Aber ich war mir dann doch nicht so sicher, ob ich genau wusste, warum Sloterdijk bäh war, und sagte mal nichts.
    »Aber dieser oder ein anderer Autor könnte dir beim Stöbern in die Hände fallen. Du würdest reinlesen, und vielleicht fändest du das Buch so interessant, dass du es mitnehmen würdest. Und schon hättest du deinen Hori zont unerwartet erweitert.«
    Sally zog die Brauen gaaaanz weit hoch. »Wenn du nicht Lisas Lebensabschnittshengst wärst, dann dürftest du dich nicht so verächtlich über meinen Horizont verbreiten.«
    »Entschuldige. So habe ich das nicht gemeint.«
    Sally spielte die Gnädige. Die beiden verstanden sich eigentlich ganz gut, zuweilen besser als er und ich, denn sie wusste sowohl seine Bildung als auch seine Eleganz zu schätzen.
    »Was ich sagen wollte, Sally.« Er beugte sich vor. Die Glut des Eiferers flackerte in seinen Augen. »Nimm eine Buchhandlung wie … wie die von Durs Ursprung. Wenn ich dort vor über dreißig Jahren nicht ein ganz bestimm tes Buch entdeckt hätte, wäre ich vielleicht nicht Staatsan walt geworden, sondern Verwaltungsjurist.«
    Und ich hätte ihn niemals kennengelernt, hätte nicht die Lesung von Lola Schrader besucht, Durs Ursprung nicht auf der Straße erkannt, wäre ihm nicht gefolgt, hät te nicht zugeschaut, wie er erschossen wurde, ohne auch nur einen Zipfel des Täters zu erhaschen, blinder als der blindeste Zeuge, und wir würden jetzt nicht vor den Fenstern des Tauben Spitz diese Unterhaltung führen.
    Ich beugte mich ebenfalls vor. »Und wenn ich nicht zufällig vor fünfzehn Jahren bei Wittwer Ich bin Du, die androgyne Revolution von Elisabeth Badinter geklaut hätte, wäre ich heute vielleicht Fremdsprachensekretärin und hätte eine Affäre mit meinem Chef.«
    Sally lachte. »Mag sein, aber das muss nicht für alle gelten.«
    »Auch du, Sally, hast in deiner Kindheit irgendwas gelesen. Zum Beispiel Hanni und Nanni .«
    Sie verzog schmerzvoll das Gesicht. »Erinner mich nicht daran! Also, was wollt ihr essen?«
    »Bücher sind für den Kopf die zwei Prozent Training«, erklärte Richard unbeugsam, »die den Unterschied aus machen zwischen Unzufriedenheit mit dem eigenen Le ben und dem Mut, einen eigenen Weg einzuschlagen!«
    Sallys Braue zuckte wie die einer guten Kellnerin, die alle Äußerungen ihrer Gäste mit wohlwollendem Gleichmut hinzunehmen entschlossen war.
    »Und deshalb muss eine Buchhandlung

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