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Malefizkrott

Malefizkrott

Titel: Malefizkrott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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geistige Aktivität. Es reicht ein Löffel, um sie zu teilen.
    »Ja, das hat Manu auch gesagt. Die Eltern sollen sie weggeschickt haben, nachdem irgendwas vorgefallen ist, das mit dem Tod von Benno Ohnesorg zu tun hatte.«
    Richard blickte hoch und ließ Messer und Gabel sinken.

 
     
17
     
    Nachher tat es mir wirklich leid, dass ich ihm seinen Rostbraten verdorben hatte. Eine Woche lang hatte er sich als Sauschwob bei der Mannheimer Staatsanwaltschaft herumgetrieben, um mit diplomatischem Geschick und Strenge ein internes Problem zu beheben, das mit dem Übereifer eines jungen Staatsanwalts zu tun gehabt hatte, der Tod von Durs Ursprung hatte ihn erschüttert, und er hatte es übernommen, mir meine Staatsbürgerpflichten beizubringen, ohne dass ich ein Nerz’sches Theater daraus machte. Das war alles geschafft, die einzige Freude des Tages dampfte vor ihm, und nun redete ich ihm ins Essen.
    »Manu meint, sie könne mir sagen, ob dein Exemplar von Schloss und Fabrik in der Buchbinderei Küfer gebunden wurde. Leider hatte ich das Buch gestern nicht dabei. Und heute habe ich es nicht mehr geschafft, nach Tübingen zu fahren. Diese Buchbinderei Küfer musst du doch eigentlich auch gekannt haben. Du musst gewusst haben, dass Maries Großvater Buchbinder war.«
    »Wieso muss ich das gewusst haben?«
    »Na hör mal, Richard! Stell dich nicht blöder, als du bist. Die Burgsteige geht man als Tübinger doch sicher ständig lang.«
    Richard nahm Messer und Gabel wieder, spießte ein Gewölle Röstzwiebeln und ein paar Scheiben Bratkartoffeln auf und stach in den Rostbraten, um ein Stück abzuschneiden.
    »Und Maries Freund, dieser Wolfi«, stocherte ich wei ter, »der ist ein Ablenkungsmanöver von dir, damit ich nicht ständig nach Marie frage.«
    »Dieser Wolfi war Aktivist des SDS. Als der Schah von Persien nach Deutschland kommen sollte, hat er für die Tübinger Studenten, die demonstrieren wollten, die Reise nach Berlin organisiert, übrigens per Flugzeug. 67 war noch tiefster Kalter Krieg.«
    »Und du bist mitgeflogen?«
    »Hm!« Richard kaute seine Beute und wedelte verneinend mit dem Messer. »Woher … hm … hätte ich das Geld haben sollen? Ich hatte keine reichen Eltern so wie Marie und Wolfi, die für Flüge nach Berlin Geld übrig hatten. Alles, was ich hatte, habe ich mir, wie du weißt, sauer verdient als Bedienung in Nachtbars.« Er schluck te. Sein Adamsapfel fuhr nach oben.
    Ich schaute ihm zu.
    Er schaute zurück.
    Ich senkte den Blick züchtig auf den Rest meiner Maultaschen.
    Er setzte Messer und Gabel neu an. Dann brach er ab, legte das Besteck ins Essen. »Also gut, Lisa. Aber was ich dir jetzt erzähle, muss unter uns bleiben.«
    Ich nickte.
    Er zündete sich eine Zigarette an und blies den ersten Zug hörbar gegen den Gassenhimmel, dem langsam das Licht ausging.
    »Stimmt, ich wusste, dass die Buchbinderei Küfer etwas mit Marie zu tun hatte. Ich sagte mir, dass Marie das Buch zu Übungszwecken hergestellt habe, um von ihrem Großvater ein wenig über das schöne alte Handwerk zu lernen. Wie es aber in Ursprungs Laden gekommen war, erklärte das nicht. Und ich hatte nicht vor, mir diese Erklärung zu holen. Vielmehr ging ich Marie aus dem Weg, nachdem Wolfi mir in der Mensa eine blutige Nase geschlagen hatte. Ich versuchte, sie mir aus dem Kopf zu schlagen, sie zu vergessen. Ich hatte mich gerade, wie ich dachte, damit abgefunden, dass sie nur ein schöner Traum für mich sei, aber niemals die künftige Frau an meiner Seite, da passte sie mich am Mensaausgang ab und sprach mich an. Sie bat mich um Entschuldigung für die unschöne Szene, die mir Wolfi gemacht habe. Es war alles unsäglich peinlich, kann ich dir sagen, denn Marie versuchte natürlich wie alle damals, geflissentlich zu ignorieren, dass ich grauenvoll aussah. Sie sagte, sie habe meinen Mut bewundert, Wolfi zu widersprechen. Es gebe nicht viele, die eine Diskussion mit ihm wagten und ihm rhetorisch gewachsen seien. Für ihn sei es, glaube sie, wohl das erste Mal gewesen, dass ihm jemand intellektu ell Paroli geboten habe und ihm die Argumente ausgegan gen seien.«
    »Hoho!«, rief ich anerkennend.
    Richard lächelte schief. »Ich gebe zu, das ging mir runter wie Öl. Wir haben uns dann eine Weile unterhalten, ich durfte sie zum Wohnheim in der Philosophenstraße begleiten. Sie erzählte mir, dass ihr Vater Postdirektor sei und ihre Mutter Hausfrau und darunter leide, dass ihr Vater nicht wolle, dass sie als Lehrerin arbeite. Marie

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