Malefizkrott
Redakteur Konversation mit dem Ziel herauszufinden, wer ich sei.
»Ach, nur eine Freundin«, sagte Lola. Über die Wirkung, die das bei meiner Cyborgerscheinung auf die verdorbene Fantasie eines Journalisten haben musste, war sie sich diesmal nicht im Klaren.
Doch Michel Schrader machte es sofort noch schlimmer: »Das ist der Bodyguard für meine Tochter. Sie hat Morddrohungen bekommen.«
»Aber das schreiben Sie nicht«, sagte ich.
»Das können Sie ruhig schreiben!«, korrigierte mich Michel Schrader.
»Pappo! Bitte!«, rief Lola. »Willst du mich zum Gespött meiner Klasse machen? Ich möchte nicht, dass so etwas in der Zeitung steht. Sonst ziehe ich das Interview zurück!«
»Sei nicht kindisch, Lola«, sagte Michel unschön eisig. »Wir hatten doch vereinbart, uns professionell zu verhalten.«
Der Spiegel- Redakteur wartete mit schlaffen Ge sichtsmuskeln und Blick ins Leere.
»Es wäre ausgesprochen unprofessionell«, mischte ich mich ein, »irgendetwas dieser Art zu veröffentlichen. Das animiert nur Trittbrettfahrer, und dann haben wir am Ende tatsächlich ein Problem. Im Moment haben wir nämlich noch keines.«
»Jede Art öffentlicher Aufmerksamkeit ist gut für uns«, erklärte mir Michel Schrader.
Es missfiel dem Mann vom Spiegel sichtlich, vom Vater als Teil einer Strategie zur Gewinnung öffentlicher Aufmerksamkeit deklassiert zu werden. Auch Journalis ten mit müder Mimik haben Illusionen, und die unverwüstlichste ist es, zu glauben, man lasse sich nicht instrumentalisieren. Er würde keinen Buchstaben über irgendwelche Drohbriefe schreiben. Dessen war ich mir sicher.
»Ein gefährlicher Vater«, bemerkte er, als wir gemeinsam das Treppenhaus hinunterstiegen, »will, koste es, was es wolle, mit seiner Tochter berühmt werden. Ty pisch Künstlervater. Und wissen Sie, wo ich solche Väter noch getroffen habe? Bei den Eiskunstlaufmädchen. Die Müt ter sind natürlich noch schlimmer. Futterneidisch wie Pavia ne. Die stecken ihren Kindern die Dopingmittel eigenhändig in den Arsch, nur damit sie auf dem Treppchen stehen. Was hat es mit diesen Morddrohungen auf sich?«
Ich erklärte es ihm unter Kollegen, während das Taxi, das ihn und den Fotografen zum Flughafen bringen soll te, mit laufendem Taxameter wartete. Man verabschiedete sich mit Handschlag und kollegialem Respekt. Mein Selbstwertbarometer stieg um zwei Grad.
Ich hatte Charlotte Brontë noch nicht angeworfen, da piepte mein Handy und zeigte die Ankunft einer SMS. »Mus raus wait an Eke real notfallLi«
»Was meinst du, Charlotte? Haben wir das erhalten und verstanden?«
Brontë enthielt sich jedes Kommentars. Ich ließ sie bis zur Ecke vorrollen. Lolas Haus verschwand hinter altem Baumbestand. Ich stieg aus, zündete mir eine Zigarette an. Die Häuser dieser Straße hatten etwas in sich Gekehrtes. Büsche, Mauern, nur wenige Fenster, die von der Straße aus zu sehen waren. Eine ideale Gegend für Einbrüche aller Art. Hier passte kein Haus aufs andere auf. Allerdings hatte ich mit meinem Wanzendetektor aus dem Spionladen keine Abhöreinrichtung in Schraders Wohnung feststellen können.
Da kam auch schon Lola angesprungen. Sie trug einen kurzen Jeansrock auf ihren weiblichen Hüften zu langen Beinen und Chucks. Oberhalb ein langes Top, darunter ein BH mit Nackenbindung und ihre Postman-Tasche. Ums linke Handgelenk hatte sie ein breites Lederband geschnürt.
»Pappo stresst voll rum«, erklärte sie und flackte sich ins Auto. »Sobald ich achtzehn bin, ziehe ich aus.«
Ich startete Charlotte. »Und wohin jetzt?«
»Egal.«
Ich fuhr mal los, raus aus dem Österfeldgewann, über die Linie der Gäubahn nach Vaihingen hinein. »Was hat er denn?«, fragte ich.
»Er kommt nicht damit klar, dass sein Prinzesschen nicht mehr sein Prinzesschen ist. Das ist total normal für Väter, aber es nervt. Warum behauptet er auf einmal, dass er mir geholfen hat? Das ist doch scheiße.«
»Hat er dir denn geholfen?«
Lolas Blick flackerte mich an. »Klar sprechen wir über meine Texte. Aber viel kann er mir nicht helfen. Er gibt Sprechunterricht, und er denkt immer ans Sprechen, wenn er Texte sieht. Aber das ist halt was anderes, als ich mache. Schreiben heißt Verdichten, weglassen. Manchmal entscheide ich rein optisch, was für ein Wort ich dastehen haben will.«
»Ist das deine oder seine Idee, dass ihr eure Schreibti sche beide in seinem Arbeitszimmer habt?«
»Ich kann nicht schreiben, wo ein Bett steht. Und da hat er gesagt, ich
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