Malevil
trotz seiner Verbrechen,
trotz seiner Panzerfaust. Ein Anführer ohne Soldaten ist weniger gefährlich als sieben gehetzte Männer, die kämpfen, um ihre
Haut zu retten.
Er gelangt in meine Höhe. Nur der Steilhang trennt ihn von mir. Er steigt wieder auf das Fahrrad von Pougès, und wieder beginnt,
regelmäßig und aufreizend, das Knirschen der Kette. Bald hat er die Krümmung erreicht. Schon kommt der Moment, in dem ich
ihn aus dem Blick verliere. Meine Hände verkrampfen |484| sich auf meiner Springfield, und der Schweiß fällt Tropfen für Tropfen auf den Kolben.
Feyrac nimmt die Kurve. Ich kann ihn nicht mehr sehen. Alles geht nun so rasch vor sich, daß ich meinen Augen nicht traue.
Ich sehe, daß sich Colin auf der anderen Seite der Straße wie beim Training in ganzer Höhe aufrichtet, den linken Fuß nach
vorn stellt, seinen Bogen ordnungsgemäß spannt und mit Sorgfalt zielt. Ein Schwirren, und eine halbe Sekunde darauf das Geräusch
des Zusammenbrechens. Ich kann nichts sehen, Colin aber hat Ausblick auf die Krümmung. Er winkt mir freudig mit der Hand zu
und verschwindet in den Büschen. Ich bin sprachlos.
Ich bin nahe daran, zu meinen, daß Colin genial ist und daß ich recht habe, »ihm alles durchgehen zu lassen«, wie Thomas mir
vorwirft. Zu diesem Zeitpunkt weiß ich noch nicht, wie Colin unter den Mauern von Malevil sein Loch und sein Gewehr aufgegeben
hat, um sein Los seiner Lieblingswaffe anzuvertrauen. Das war, maßvoll ausgedrückt, ein Fehler im Einsatz der Mittel. Wenn
er mir später bekannt wird, ändert das nichts an der Wertschätzung, die ich seit meiner Expedition zum Etang dem Bogen, als
einer sicheren und lautlosen Waffe aus dem Hinterhalt, entgegenbringe.
Nach und nach gewinne ich meine Ruhe wieder. Der achte Mann war also Feyrac! Kein Nachzügler, wie ich geglaubt hatte. Fährt
beim Rückzug seinen Soldaten wacker voran. Und meiner Meinung nach ist er ihnen nur wenig voraus, denn von Malevil nach La
Roque gibt es beschwerliche Steigungen. Feyrac hat wenig Vorsprung gewinnen können, und ich habe nur noch wenige Minuten vor
mir. Dennoch wird mir, während ich bäuchlings im Farnkraut neben Maurice liege, die Zeit lang.
Da sind sie. In Grüppchen längs der Straße verstreut, gerötet, verschwitzt und schnaufend, ihre Schuhe klappern auf der Asphaltdecke.
Ich sehe ihre Bauernköpfe, ihre roten Hände, ihren schweren Gang: Fußvolk zum Töten. Wenn mein Peyssou hier wäre, würde er
die Empfindung haben, auf sich selbst zu schießen.
Drei marschieren voraus, ziemlich frisch, scheint mir. Dann, nach ein paar Metern, zwei andere, und dann, weiter entfernt,
zwei, die nur mühselig folgen. Gemäß meinen Schießanweisungen sind die drei an der Spitze und die zwei, die sich hinterherschleppen, |485| verurteilt. Die Kräftigsten und die Schwächsten.
Ich führe meine Trillerpfeife an die Lippen und drücke die Wange an den Gewehrkolben. Mit Colin ist verabredet, daß wir über
Kreuz schießen, damit wir nicht auf dasselbe Ziel feuern. Ich nehme den Mann aufs Korn, der sich auf der anderen Straßenseite
nähert. Meyssonnier und Hervé haben untereinander die gleiche Verabredung wie wir.
Ich warte, bis die Spitzengruppe über die Anschlagtafel hinaus ist. Sobald die mittleren zwei sie erreichen, lasse ich einen
langen Pfiff hören und feuere. Unsere Schüsse gehen gleichzeitig los, und von der gemeinsamen Detonation hebt sich nur Meyssonniers
Karabiner 22 ab, dessen schwächerer, aber härterer Knall mit einer gewissen Verzögerung zu hören ist. Fünf Männer fallen.
Sie fallen nicht wie in den Kriegsfilmen mit einem Schlag, sondern im Zeitlupentempo, mit äußerster Langsamkeit. Die zwei
Überlebenden denken nicht einmal daran, sich auf den Boden zu werfen. Sie bleiben, jeden Reflexes beraubt, einfach stehen.
Erst nach ein paar Sekunden heben sie die Arme. Höchste Zeit. Ich pfeife dreimal kurz. Alles ist vorüber.
Ich wende mich an Maurice.
»Wer sind die beiden Figuren?« frage ich ihn leise.
»Der kleine Kahle mit Wampe ist Burg, der Koch. Der Magere ist Jeannet, Vilmains Putzer.«
»Neue?«
»Ja, alle beide.«
Mit lauter Stimme, aber ohne mich zu zeigen, rufe ich: »Hier ist Emmanuel Comte, Geistlicher von Malevil. Burg! Jeannet! Sammelt
die Flinten eurer Kameraden ein und legt sie unter das Plakat.«
Verstört und versteinert, bleich unter ihrer Sonnenbräune, zwei junge Burschen, denen die Hände beben. Als sie mich
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