Malice - Du entkommst ihm nicht
Adresse?«
»Auf dem Stadtplan hier ist nichts Besonderes zu erkennen. Scheint eine ganz normale Straße zu sein.«
Kady schaute ihn an. Als sie seinen Blick sah, stöhnte sie auf. »Du willst hinfahren, oder?«
»Du könntest deinem Vater sagen, dass wir für einen Tag zum Shoppen nach London wollen. Er hätte bestimmt nichts dagegen. Der erlaubt dir doch sowieso alles.«
»Natürlich würde er es mir erlauben. Ich hab selbst mal in London gewohnt, schon vergessen?« Kady zog eine Augenbraue hoch. »Ich nehme mal an, du spekulierst darauf, dass er dir das Zugticket bezahlt?«
»Kad y – er hat mehr Kohle, als er ausgeben kann. Wenn du ihn darum bittest, gibt er dir das Geld bestimmt.«
Kady seufzte. »Das ist eine ziemlich lange Fahrt, bloß um irgendein e …«
»Bitte!« Seth griff nach ihrer Hand. »Das ist echt verdammt wichtig für mich.«
In seiner Stimme lag so viel Verzweiflung, dass sie ihn verwundert ansah. »Okay, okay«, sagte sie schließlich besänftigend. »Wenn dir so viel daran liegt, mach ich mit. Von mir aus können wir gleich morgen fahren.«
Er ließ ihre Hand los und setzte sich aufs Bett. »Ich muss dir was zeigen.«
Sie rollte im Bürostuhl zu ihm hinüber. »Hast du was gefunden?«
Er hielt den schwarzen Umschlag in die Höhe. »Hast du schon mal was von Malice gehört?«
Über Kadys Gesicht huschte ein seltsamer Ausdruck. Sie nahm ihm den Umschlag aus der Hand, legte ihn sich in den Schoß und starrte auf das Logo.
»Kady?«, fragte Seth. »Alles okay?«
Sie schüttelte den Kopf, als hätte sie Wasser in den Ohren und versuchte, es loszuwerden.
»Entschuldigun g … ic h … keine Ahnung, was los wa r … Ich war nur kur z …« Sie verstummte. »Ja, ich glaub, ich hab schon mal davon gehört. Zumindest kommt mir der Name irgendwie bekannt vor.« Sie griff kurzerhand in den Umschlag, zog den Comic hervor und begann darin zu blättern.
»Hä?« Sie schüttelte verwundert den Kopf. »Soll das ein Witz sein, oder was?«
Seth nahm ihr das Heft aus der Hand und schlug es auf. Stirnrunzelnd blätterte er von einer Seite zur nächste n … Irgendetwas stimmte nicht. Das war nicht das, was Heather ihm beschrieben hatte.
Er blätterte das Heft von der ersten bis zur letzten Seite durch,
London
1
Auf der Zugfahrt nach London am nächsten Tag war die Stimmung ziemlich angespannt.
Kadys Vater hatte seine Tochter und Seth zum nächstgelegenen Bahnhof ins benachbarte Loughborough gefahren, um ihnen den langen Fußmarsch über Wiesen und Felder zu erspare n – und um sich unterwegs ein Schinken-Sandwich zu kaufen. Er brauchte sich keine Sorgen zu machen, dass Kady ihn verpetzen würde. Im Gegenteil. Sich mit ihrem Stiefvater zu verbünden, war ihre Art, ein bisschen gegen ihre Mutter zu rebellieren. Genauso wie sie eigentlich nur deshalb Fleisch aß, weil sie wusste, dass es Alana ärgert e – dabei schmeckte es ihr nicht einmal besonders.
Im Zug hatten sie sich Plätze gesucht und es sich für die eineinhalbstündige Reise Richtung Süden gemütlich gemacht. Obwohl Kady normalerweise eine echte Quasselstrippe war, hatte sie sich sofort die Stöpsel ihres iPods in die Ohren geschoben und stumm aus dem Fenster geschaut.
Seit sie sich am Abend zuvor gestritten hatten, war die Stimmung zwischen ihnen deutlich unterkühlt.
»Also echt, Seth! Das ist ja wohl der größte Quatsch, den ich je gehört hab. Du willst mir doch wohl nicht ernsthaft weismachen, dass du glaubst, er wäre von einer Comicfigur entführt worden, oder?«
»Ich sage doch nur, dass es wahrscheinlich irgendwas mit dem Comic zu tun hat. Mehr weiß ich auch nicht.«
»Mach dir nichts vor, Seth. Luke ist von zu Hause abgehauen und damit basta. Ganz egal, was für ›komische Sachen‹ angeblich passiert sind oder was Heather dir erzählt hat. Er ist abgehauen.«
Dass sie sich so dagegen wehrte, eine andere Möglichkeit auch nur in Betracht zu ziehen, hatte Seth erstaunt. Normalerweise hätte sie sich zumindest auf eine Diskussion mit ihm eingelassen. Sie war doch sonst immer für jedes Abenteuer zu haben und liebte es herumzuspinnen und sich verrückte Sachen auszudenken. Seth versuchte sich ihr Verhalten damit zu erklären, dass sie sich mehr Sorgen um Luke machte, als sie zugeben wollte.
Immerhin fuhr sie mit ihm nach London, auch wenn sie ihm deutlich zu verstehen gegeben hatte, dass sie das nur machte, um ihn nicht hängen zu lassen. Sie wusste, dass er sich das Zugticket niemals hätte leisten
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