Malice - Du entkommst ihm nicht
hingefallen und sie haben sich sofort auf ihn gestürzt! Oh nein! Ich höre sie schmatzen, oh Gott, sie fressen ihn auf!«
»Kady!«, brüllte Seth. »Du musst aufhören!«
»Noch nicht!«, zischte sie. »Erst muss ich wissen, was passiert ist! Ich muss es wissen!«
Ihre Miene war wild entschlossen. Seth war von dem Ton in ihrer Stimme überrascht. Er hatte nicht gewusst, dass ihr die Geschichte so naheging, er hatte gedacht, sie würde ihm immer noch nicht glauben, dass Malice wirklich existierte. Aber jetzt erkannte er, dass sie einfach nur panische Angst hatte. Angst davor, dass es wahr sein könnte. Dass sie sich schon jetzt inmitten eines tödlichen Spiels befanden, dessen Regeln sie nicht kannten.
Kady brauchte Antworten. Um jeden Preis.
Der Schlüssel klapperte im Schloss. Seth hörte, wie die Haustür aufging. In diesem Moment wurde ihm klar, dass sie in der Falle saßen. Er erstarrte.
»Sag mir, wo du jetzt bist«, sagte Kady zu Henry.
Er zitterte, sein Gesicht war angstverzerrt. »Da sind überall Stern e … unterirdische Stern e …«, presste er mit schwacher Stimme hervor. »Die Frau will die Sterne abschießen! Folgt den Augen! Folgt den Augen!«
»Welche Frau? Wer ist die Frau?«
Die Tür schwang auf und Henrys Mutter rannte durch den Flur aufs Wohnzimmer zu. »Henry? Henry, ist alles in Ordnung?«
Henry sprang mit einem plötzlichen Satz auf, packte Kady am Arm und starrte sie durchdringend an. Als er wieder sprach, war seine Stimme ein ängstliches Flüstern.
»Die Glöckchen rufen die Bestie.«
Und dann begann er aus voller Kehle zu schreien.
Henrys Mutter stürzte in dem Moment ins Zimmer, in dem Kady sich von Henry losriss. Henrys Schreie wurden immer lauter.
»Wer seid ihr?«, brüllte Henrys Mutter Seth und Kady an. »Was habt ihr mit ihm gemacht?« Sie stürzte auf ihren Sohn zu und schloss ihn schützend in die Arme. »Henry! Ich bin es, deine Mummy! Henry, was hast du nur?«
Kady ging langsam rückwärts zur Tür. Seth war wie gelähmt. Henrys Mutter wirbelte zu Kady herum. In ihren Augen loderte purer Hass.
»Was habt ihr ihm angetan?«
Und dann rannten sie los.
Ratten auf dem Dachboden
1
Von: Seth Harper
Betreff:
Datum: 24 . August, 00:41:3 2 GMT+00:00
An: Kady Blake
Liebe Kady, ich sitze hier am Computer von meinem Vater. Du weißt ja, wie gern ich E-Mails schreibe (haha), aber wenn ich dich anrufe und dir sage, was ich gleich tun werde, versuchst du bestimmt, mich davon abzuhalten. Und ein normaler Brief bräuchte ewig oder würde unterwegs vielleicht verloren gehen. Das will ich nicht riskieren, dazu ist das, was ich dir zu sagen habe, zu wichtig. Du liegst jetzt wahrscheinlich schon im Bett und wirst diese Mail erst morgen lesen.
Auch wenn du mich jetzt für bescheuert hälts t – ich hab beschlossen, nachher das Ritual durchzuführen. Ich gehe mal davon aus, dass nichts passiert und dass du mich auslachen wirst, wenn du morgen diese Mail liest. Aber du hast ja auch gesagt, dass du wissen musst, was passiert ist. Zum Glück bin ich ziemlich sportlich. Das heißt, dass ich eine Chance hab e – falls es Malice tatsächlich gibt. Angeblich gibt es ja Leute, die lebend wieder rausgekommen sind. Ich muss es tun. Das ist der einzige Weg, um herauszufinden, was wirklich passiert ist.
Ich habe ein ziemlich schlechtes Gewissen, wenn ich an heute Nachmittag denke. Dieser Henry war total panisch. Das, was hier abläuf t – was auch immer es is t –, zerstört das Leben von Menschen. Du hast Lukes Mutter gesehen und jetzt die Mutter von Henry. Ich kann nicht rumsitzen und so tun, als wäre nichts passiert. Ich bin mir inzwischen ganz sicher, dass dieser fette Typ aus dem Comicshop etwas damit zu tun hat. Falls ich morgen verschwunden sein sollte, wäre es gut, wenn du noch mal dort hingehen könntest. Vielleicht kannst du ja mehr herausfinden oder eine aktuelle Ausgabe von Malice besorgen. Ich frage mich die ganze Zeit, wer auf die kranke Idee kommt, so einen Comic herauszubringen. Immerhin haben wir den Namen von dem Zeichner (Grendel) und den vom Verlag (Black Dice, genau wie der Comicladen. Der Name steht hinten auf dem Umschlag, aber natürlich ohne Adresse). Ich glaub, dass der Typ im Laden so eine Art Dealer ist. Ich kann mir vorstellen, dass er Kinder und Jugendliche anspricht und zu ihnen sagt: »Hey, wie wär’s denn mal mit diesem Comic? Lies ruhig mal rein, vielleicht gefällt er dir.«
Sei bitte vorsichtig,
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