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Malka Mai

Malka Mai

Titel: Malka Mai Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mirjam Pressler
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Malka und ging hinunter. »Gibt es in der Stadt einen Arzt?«, fragte sie Frau Kopolowici, die in der Küche am Herd stand und in einem Topf rührte. Es roch nach Hühnersuppe, ein wunderbarer Geruch, Hannas Herz flog der Frau zu und einen Moment lang fühlte sie sich wie zu Hause, wie ein Kind, das nach der Schule hungrig heimkommt.
    »Sie haben doch gesagt, Sie sind selbst Ärztin«, antwortete die Frau misstrauisch. Hanna erklärte ihr, dass sie Jod und Verbandszeug besorgen müsse, sie habe nichts dabei und sie brauche für Malka unbedingt eine Salbe für ihre Beine und ein Fiebermittel.
    Die Frau schien beruhigt zu sein, sie beschrieb ihr die Straße und das Haus, in dem der Arzt wohnte, und Hanna machte sich auf den Weg.
    Malka träumte von Russen und Deutschen, sie sah die Rücken der Russen, die Lawoczne Richtung Osten verließen, während vom Westen her die Deutschen einmarschierten, aber sie sah keine Gesichter, sondern nur die Stiefel, die sich im Gleichklang bewegten, immer auf und ab, und in ihrem Kopf dröhnte das rhythmische Knallen der eisenbeschlagenen Absätze auf den Pflastersteinen. Es wurde lauter und lauter, viel lauter als Gewitter, und Malka spürte, wie ihre Mutter sie von der Straße wegriss und einen Berg hinaufzog. Und auf einmal ging Liesel neben ihr, so groß wie sie selbst, und fing an, ihr Vorwürfe zu machen, weil sie sie nach Ungarn verschleppt hatte. Noch dazu nur in einer grünen Unterhose und mit einem weißen Unterhemd. Würdest du so auf die Straße gehen wollen?, schimpfte sie. Hättest du mir nicht ein Kleid anziehen können? Aber die Aktion, sagte Malka, es gab doch eine Aktion, ich hatte keine Zeit. Aktion hin oder her, sagte Liesel, das ist mir doch egal. Mir tun sie nichts, ich bin deutsch. Und plötzlich fing sie an zu schreien, Jüdin, Jüdin, wie Tanja und die anderen Mädchen in Lawoczne das gemacht hatten, sie deutete mit spitzem Finger auf Malka und stieß sie von sich weg, dann bückte sie sich, hob einen Stein auf und warf ihn nach ihr. Der Stein traf sie am Kopf und Malka fing an zu weinen.
    »Nicht weinen, Malkale, es wird alles wieder gut«, sagte Minna mit einer neuen, sehr sanften Stimme. Sie legte sich neben sie auf das Bett und zog sie an sich. Malka drückte sich an ihre Schwester und beruhigte sich langsam. »Wenn wir in Erez-Israel sind«, sagte Minna, »wird alles gut. Du wirst selbst sehen, wie schön es dort ist. Wir fahren zuerst mit dem Zug und dann mit einem Schiff. In Erez-Israel scheint immer die Sonne, oder fast immer, und an den Bäumen wachsen Orangen wie hierzulande Äpfel. Stell dir vor, Malka, wenn du eine Orange willst, gehst du bloß zum nächsten Baum und pflückst dir eine. Oder eine Zitrone.«
    »Ich mag keine Zitronen«, sagte Malka, »die sind mir zu sauer. Aber Orangen wären schön.«
    Minna streichelte ihre Haare und ihre Arme. »In Erez-Israel wachsen auch Bananen, schöne, gelbe Bananen. Erinnerst du dich noch, wie Papa uns damals, bei seinem letzten Besuch, Bananen mitgebracht hat?«
    Malka schüttelte den Kopf und schmiegte sich enger an ihre Schwester. »Nein, aber erzähl weiter.«
    »Papa lebt jetzt in einem Kibbuz an einem großen See, der Kineret heißt. Die Christen nennen ihn Genezareth. Im Kibbuz leben nur Freunde zusammen, sie nennen sich sogar so. Man sagt nicht Herr oder Frau Soundso, man sagt Chawer, das heißt Freund, und zu einer Frau sagt man Chawera, das heißt Freundin.« Minnas Stimme drang an Malkas Ohr wie das sanfte Plätschern des Bachs in Lawoczne. Sie erzählte von gemeinsamer Arbeit, von gemeinsamem Essen, von gemeinsamem Singen.
    »Woher weißt du das alles?«, fragte Malka.
    »Ich habe mich öfter mit den Zionisten getroffen«, sagte Minna, »vor drei Jahren, nachdem der Brief von Papa gekommen war. Zionisten sind Leute, die in Erez-Israel einen eigenen Staat für alle Juden gründen wollen, damit sie nie wieder Aktionen und Umsiedlungen und so etwas mitmachen müssen.«
    »Weiß Mama, dass du dich mit diesen Leuten getroffen hast?«
    »Nein«, sagte Minna. »Du brauchst es ihr nicht zu sagen.« Sie streichelte weiter. »Aber es ist auch nicht schlimm, wenn du es tust. Und jetzt schlaf, Malka. Schlaf dich gesund.«
    »Ich kann nur schlafen, wenn du weitererzählst«, sagte Malka und ließ sich von Minna durch das fremde Land führen, in dem Orangen an Bäumen wuchsen, ließ sich die Berge von Galiläa zeigen, den wunderbaren See Kineret, in dem Fische schwammen, die mindestens so gut schmeckten wie

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