Malka Mai
sind eine Gefahr.«
Ihr Mann legte ihr die Hand auf den Arm. »Still, Rochele, lass uns nachdenken, einen Arzt bei der Gruppe zu haben ist ein großer Vorteil, man muss nachdenken, bevor man entscheidet.« Er winkte Efraim Kohen und Mendel Frischman, die drei Männer gingen in eine Ecke und unterhielten sich flüsternd miteinander. Dann kamen sie zurück. »Die Kleine könnte doch hier bleiben, bei Kopolowici«, sagte Mendel Frischman, »er hat ja selbst Kinder. Und wenn es ihr wieder besser geht, können wir sie nachkommen lassen. Wir werden ihn dafür bezahlen, dass er für sie sorgt und sie mit dem Zug zu Ihnen bringt, wenn sie wieder gesund ist.«
Hanna schüttelte den Kopf. »Ich gehe nicht ohne das Kind«, sagte sie laut.
»Regen Sie sich doch nicht gleich auf«, sagte Schmuel Wajs. »Viele Leute lassen ihre Kinder in der Nähe der Grenze zurück, Kinder fallen nicht auf, und wenn die Eltern irgendwo eine Bleibe gefunden haben, holen sie die Kinder nach. Sie müssen doch auch an sich und Ihre andere Tochter denken.«
Hanna war wie betäubt, als Chaim Kopolowici sie aus der Höhle führte, die Tür abschloss und die Säcke wieder davor stellte. Eine Kuh ließ ein lautes, dumpfes Muhen hören. Hanna folgte dem Mann, noch immer unfähig zu denken, den Hang hinunter, über den Hof und ins Haus.
»Schlafen Sie erst mal darüber«, sagte Kopolowici, als sie die Hühnertreppe zum Dachboden hinaufstieg. »Gute Nacht.«
Malka und Minna schliefen schon. Hanna setzte sich unter das Fenster und legte den Kopf auf die Knie. Der Vorschlag hatte etwas Verlockendes. Sie könnte mit Minna nach Munkatsch gehen, ohne Malka wäre das viel leichter, noch dazu mit diesen entzündeten Beinen, alles wäre weniger gefährlich. Sie würde Minna und sich retten und Kopolowici würde ihr die Kleine nachbringen. Das würde Malka die Anstrengung des Fußmarschs ersparen. Viele Leute lassen ihre Kinder in der Nähe der Grenze zurück, hatte Wajs gesagt. Das war gar nicht so dumm. Außerdem hatte sie nicht nur eine Tochter, sie musste auch an Minna denken.
Malka wachte mitten in der Nacht auf , jedenfalls glaubte sie, es sei mitten in der Nacht, weil es ganz dunkel war, doch dann sah sie graues Licht im Fenster und wusste, dass es früher Morgen sein musste. Ihre Mutter und Minna saßen unter dem Fenster auf dem Boden, mit angezogenen Knien, wie schwarze Zelte sahen sie aus und ihre Gesichter waren blasse Halbmonde. Sie unterhielten sich miteinander, vermutlich waren es ihre Stimmen gewesen, die sie aufgeweckt hatten. Malka lauschte, ohne wirklich zu verstehen, was sie meinten, die Wörter flossen durch ihren Kopf wie das Wasser durch das Flussbett, blieben an Steinen hängen, strudelten, schwappten ans Ufer, flossen weiter.
»Ich weiß nicht, wie lange wir nach Munkatsch brauchen, vielleicht ein paar Tage oder eine Woche«, sagte die Mutter. »Bis dahin geht es ihr bestimmt viel besser und Kopolowici kann sie zu uns bringen, mit der Eisenbahn, das sind nur ein paar Stunden. In Munkatsch kenne ich einen Arzt, Doktor Rosner, dort können wir sie treffen.«
»Und wenn sie geschnappt werden?«, fragte Minna.
Die Stimme der Mutter klang beruhigend. »Sie werden nicht geschnappt werden, die Kopolowicis haben ein Mädchen, das ungefähr in ihrem Alter ist, deren Geburtsurkunde kann er mitnehmen. Niemand wird merken, dass sie nicht sein Kind ist. Und warum sollte ein Vater nicht mit seinem Kind zu Verwandten nach Munkatsch fahren?«
»Findest du es wirklich richtig, sie hier zu lassen?«, fragte Minna nach einer Pause. Ihre zittrige Stimme schwebte durch die Luft, drang durch Malkas Ohren direkt in ihren Bauch und füllte ihn ganz aus, so dass sie fast keine Luft mehr bekam. Ihr wurde schwindlig.
Die Mutter fing an zu weinen. »Ich weiß doch selbst nicht, was ich tun soll. Wir müssen weiter, wir dürfen hier nicht gefunden werden. Und sie ist krank, mit diesem Fieber muss sie ein paar Tage im Bett bleiben. Du hast doch auch gemerkt, dass sie kaum mehr gehen konnte. Ein Kind fällt nicht auf, ein Kind läuft immer irgendwie mit. Es nützt doch nichts, wenn wir uns alle drei der Gefahr aussetzen, geschnappt zu werden. Wir treffen uns in Munkatsch wieder und von dort aus wird der Weg hoffentlich leichter.«
Von wem reden sie?, dachte Malka. Von welchem Kind? Und wohin soll das Kind mit der Eisenbahn fahren?
Sie wollte den Kopf heben, um ihrer Mutter und ihrer Schwester zu zeigen, dass sie wach war, aber sie konnte es nicht, denn obwohl
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