Mallorca Schattengeschichten
kindlichen Eindruck machte. Ihr Vater hatte sich schon vor deren Geburt nicht mehr für die Mütter interessiert. Er blieb zwar in der Nähe, kümmerte sich aber nicht um sie.
Die Mutterliebe und die Mitglieder der Kommune, in der sie lebten, ließ beide nichts vermissen. Fannys Mutter hatte ihr schon früh die Umgebung gezeigt. Geduldig erklärte sie die unterschiedlichen Pflanzenarten, deren Eigenschaften und Wachstumszeiten. Tonis Mutter teilte die Leidenschaft für die Natur, überließ die Lehrstunden aber lieber Fannys Mutter, die Toni gerne auf ihren Touren mitnahm.
Fanny und Toni hatten Glück, dass ihre Mütter sich so gut verstanden und es darüber hinaus keine von beiden dem Vater übel nahm, dass er seiner Wege ging.
Ein wichtiger Bestandteil war die Pflanzenkunde, damit sie nicht giftige Pflanzen in den Mund nahmen.
Die Kommune bestand aus Vegetariern und Rohköstlern. Toni und Fanny liebten Möhren, dafür ließen sie alles andere stehen, und kannten kein Maß. In der Erntezeit der Orangen machten sie sich auch darüber her. Genüsslich bissen sie in die ganze Frucht, bis ihnen der Saft an den Mundwinkeln hinunterlief.
Wenn einer der beiden einen Leckerbissen hatte, versuchte der andere sofort, ein Stückchen zu stibitzen.
Auf ihren Entdeckungstouren streiften sie oft gemeinsam durch den Wald. Sie ahnten meist, wo sich der andere befand, selbst wenn sie sich mal voneinander entfernten. Wenn sich Toni auf seinen Ausflügen nach Fanny sehnte, brauchte er nur nach ihr zu rufen. Sie antwortete ihm, sodass er, ihrem Ruf folgend, schnell wieder zu ihr fand. Sie übernachteten häufig zusammen und waren während ihrer Kindheit unzertrennlich.
Mit deren Ende gab es auch mal heftigeren Streit; dann schmollten beide. Der eine wollte vom anderen nichts mehr wissen, aber das hielt meist nicht lange an. Kurz danach streiften sie wieder gemeinsam umher. Nur einmal hatten sie sich bisher ernsthaft geprügelt, weil Fanny mittags eine Orange aß und Toni nichts davon abgab. Toni nahm ihr das übel, schubste Fanny erst leicht, dann heftiger, bis diese sich gar mit Tritten wehrte und davonlief.
Erst am nächsten Tag war Fanny wieder versöhnlich gestimmt. Sie forderte Toni auf, mitzukommen, denn sie wollte ihm ihre neueste Entdeckung zeigen - eine geheimnisvolle Tonne. Toni ließ sich nicht lange bitten. Er folgte Fanny auf dem Fuß, seine Neugierde war übergroß. Sie standen beide vor dem rätselhaften Behältnis. Gemeinsam strengten sie sich an, bis der klemmende Deckel endlich aufsprang. Sie ließen ihn auf den Boden kullern. Mit großen Augen schauten sie hinein. Die Tonne war gefüllt mit Köstlichkeiten. Sie fielen darüber her, bis sie nicht mehr konnten. Mit Bauchschmerzen, aber glücklich, trollten sie sich. Anschließend schliefen sie erschöpft ein.
Tags darauf schlichen sie in freudiger Erwartung zur Tonne, um sich erneut über den Inhalt herzumachen. Erschrocken entdeckten sie, dass der Behälter wieder verschlossen war. Unter Anstrengung gelang es ihnen, die Abdeckung anzuheben. Trotz der noch vom Vortag gefüllten Bäuche konnten sie nicht widerstehen. Einen Rest für den nächsten Tag ließen sie aber übrig.
Sie kamen sich sehr erwachsen vor, doch es interessierte sie nicht, wem die Tonne gehörte, oder ob es verboten war, sich fremdes Essen in den Mund zu stopfen.
Den restlichen Tag verbrachten sie mit kleinen Wettrennen und spielten Verstecken. In der Morgendämmerung schlichen sie erneut zur Tonne. Dann der Schock. Jemand hatte mit einem Metallbügel den Deckel so gesichert, dass sie ihn trotz aller Mühen nicht mehr öffnen konnten.
Während sie rätselten, was das bedeuten sollte, wurden sie angesprochen: »Na, ihr zwei, habt ihr gedacht, das hier wäre ein Esel-Selbstbedienungs-Buffet? Ihr kriegt eure Ration ja, aber alles auf einmal, das geht nicht. Die Tonne bekommt ihr jetzt sicher nicht mehr auf, ihr Schlawiner.«
Sie schauten erstaunt mit ihren weiß umrandeten Augen, und ihre Eselohren konnten nicht glauben, was sie da hörten.
Avidez / Gier
Dirk Schuller streckte seine Hand über den Tisch zu Ferhat Merizadi. »Also, sind wir uns einig?«
Ferhat erhob sich, um Dirk zu überragen. »Ja!« Ferhat schlug lächelnd ein.
»Darauf müssen wir anstoßen. Camarero ! Champagner!«, rief Dirk über die Terrasse.
Mehrere Gäste des Restaurants drehten sich um.
»Schau! Alles unsere künftigen Kunden«, flüsterte Ferhat.
»Die anderen Makler werden anfangen zu
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