Malloreon 1 - Herrn des Westens
Schwertes auf seinem Rücken spürte. Abwesend, immer noch auf das vergilbte Pergament der Karte auf Kails Schreibtisch blickend, schnallte er den Schwertriemen fester. Wieder zuckte das Schwert, beharrlicher diesmal.
»Garion«, fragte Durnik interessiert, »glüht das Auge Aldurs öfter, selbst wenn du das Schwert nicht in der Hand hältst?«
Garion starrte über die Schulter auf den flammenden Stein. »Warum tut es das?« fragte er verwirrt.
Das nächste Zucken riß ihn beinahe von den Füßen. »Großvater«, rief er leicht erschrocken.
Belgarath wirkte sehr nachdenklich. »Garion«, sagte er ruhig. »Nimm das Schwert aus der Scheide. Ich glaube, das Auge möchte dir etwas sagen.«
Garion langte über die Schulter und zog Eisenfausts mächtiges Schwert mit leichtem Scharren aus seiner Hülle. Ohne zu überlegen, wie unvernünftig das klingen mochte, wandte er sich nun direkt an den glühenden Stein auf dem Schwertgriff: »Ich bin jetzt wirklich sehr beschäftigt. Kann das nicht ein bißchen warten?«
Die Antwort war ein hartnäckiger Zug in Richtung Tür.
»Was hat das zu bedeuten?« fragte Garion gereizt.
»Am besten, wir folgen ihm«, meinte Belgarath.
Hilflos folgte Garion dem mächtigen Drängen durch die Tür und auf den fackelbeleuchteten Korridor. Die anderen schlossen sich ihm neugierig an. Er konnte das seltsame kristalline Bewußtsein des Auges fühlen und spürte seinen ungeheuren Zorn. Einen so schrecklichen Grimm hatte der lebende Stein nicht mehr ausgestrahlt, seit jener furchtbaren Nacht in Cthol Mishrak, als er sich dem verstümmelten Gott der Angarakaner gestellt hatte. Das Schwert zog ihn unentwegt den Korridor entlang, immer schneller, bis er fast rennen mußte, um mitzukommen.
»Was bezweckt das Auge, Vater?« fragte Polgara verwirrt. »So etwas hat es bisher noch nie getan.«
»Ich bin mir nicht sicher«, antwortete Belgarath. »Wenn wir es herausfinden wollen, wird uns nichts anderes übrigbleiben, als ihm zu folgen. Jedenfalls glaube ich, daß es sehr wichtig ist.«
Kail hielt kurz vor dem Leibgardisten an der Tür an. »Lauft zu meinen Brüdern«, wies er ihn an, »und bittet sie, zu den königlichen Gemächern zu kommen.«
»Jawohl, mein Herr.« Der Posten salutierte.
Garion öffnete die polierte, dunkle Holztür zu den Gemächern und folgte dem ziehenden Schwert.
Königin Layla war gerade dabei, Adara zuzudecken, die erschöpft auf dem Sofa eingeschlafen war. Erstaunt blickte sie auf. »Was, in aller Welt…«, begann sie.
»Psst, Layla.« Polgara drückte einen Finger an die Lippen. »Etwas tut sich, das wir nicht verstehen.«
Garion wappnete sich und betrat das Schlafgemach. Ce'Nedra warf sich im Schlaf unruhig von einer Seite zur anderen und wimmerte. Neben dem Bett saßen Königin Islena und Baraks Gemahlin Merel. Ariana war in einem Sessel am Fenster eingenickt. Garion konnte die Damen, die seine Frau betreuten, nur flüchtig grüßen, ehe das Schwert ihn in die Kinderstube zog, wo der Anblick der leeren Wiege ihm das Herz verkrampfte. Das mächtige Schwert schwang sich darüber, und das Auge glühte, dann flackerte sein Licht einen Moment.
»Ich glaube, ich fange an zu begreifen«, sagte Belgarath. »Ich möchte keinen Eid darauf leisten, aber ich glaube, es will Gerans Spur folgen.«
»Kann es das?« staunte Durnik.
»Es kann fast alles und es setzt sich voll und ganz für das rivanische Geschlecht ein. Folgen wir ihm, Garion, und sehen, wohin es uns führt.«
Auf dem Korridor schlossen sich ihnen Kails Brüder Verdan und Brin an. Verdan, der älteste der drei, war kräftig wie ein Ochse, und Brin, der jüngste, nicht viel weniger. Beide trugen Kettenhemd, Helm und am Gürtel schwere Breitschwerter.
»Wir glauben, das Auge versucht, uns zum Prinzen zu führen«, erklärte ihnen Kail angespannt. »Wir brauchen euch zwei möglicherweise, wenn wir ihn finden.«
Brin grinste jungenhaft. »Dann haben wir den Schädel des Entführers vielleicht bereits vor Einbruch der Nacht auf einem Pfahl.«
»Mit dem Köpfen sollten wir nicht voreilig sein«, warnte Belgarath. »Erst brauche ich die Antworten auf ein paar Fragen.«
»Ich hätte gern, daß immer eine von euch bei Ce'Nedra bleibt«, sagte Tante Pol zu Königin Layla, die ihnen neugierig aus den königlichen Gemächern gefolgt war. »Sie wird vermutlich am frühen Nachmittag aufwachen. Sorgt dafür, daß Ariana jetzt ein bißchen schläft. Ce'Nedra braucht sie vielleicht, sobald sie
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