Malloreon 1 - Herrn des Westens
aufwacht.«
»Selbstverständlich, Polgara«, versicherte ihr die rundliche Königin von Sendarien.
»Und du«, wandte sich Tante Pol an Botschaft, der gerade den Korridor hochkam. »Du bleibst in den königlichen Gemächern und tust genau das, was Layla sagt.«
»Aber…«, murrte er.
»Kein Aber, Botschaft. Was wir möglicherweise tun müssen, kann sich als sehr gefährlich erweisen, und das ist etwas, was du noch nicht so recht zu verstehen gelernt hast.«
»Also gut, Polgara.« Er seufzte enttäuscht.
Garion und die anderen folgten dem starken Zug des Steines entlang der unsichtbaren Fährte des Entführers seines Sohnes durch ein Seitentor.
»Offenbar will es zu den Bergen«, meinte Garion. »Dabei dachte ich, die Spur führe in die Stadt.«
»Denke nicht«, riet ihm Tante Pol. »Folge einfach dem Auge.«
Die Fährte zog sich über die Wiese dahin, die hinter der Zitadelle steil aufstieg, und dann in den Nadelwald, der im Sommer häufig Garions und Ce'Nedras Ausflugsziel gewesen war.
»Bist du sicher, daß es weiß, was es tut?« fragte Garion, während er sich einen Weg durch Dickicht bahnte. »Es gibt hier nicht den schmalsten Pfad. Ich kann mir nicht vorstellen, daß vor uns jemand hier gewesen ist.«
»Es folgt irgendeiner Art von Spur, Garion«, versicherte Belgarath ihm. »Tu, was es von dir will.«
Über eine Stunde plagten sie sich durch dichtes Unterholz. Einmal scheuchten sie eine Schar Waldhühner auf, deren unerwarteter, heftiger Flügelschlag sie zusammenzucken ließ.
»Ich muß mir diese Stelle merken«, sagte Brin zu Kail. »Eine Jagd hier könnte sehr einträglich sein.«
»Wir jagen im Augenblick anderes Wild. Konzentrier dich lieber auf die Verfolgung.«
Als sie den oberen Waldrand erreichten, spähte Garion die steile, mit Geröll übersäte Wiese hoch, die sich oberhalb der Baumgrenze hangauf zog. »Gibt es einen Paß durch diese Berge?«
»Links von dem hohen Gipfel.« Brin deutete. »Ich komme manchmal auf der Jagd nach Rehböcken durch, und Hirten benutzen ihn, um ihre Herden zu den Talweiden zu bringen.«
»Hirtinnen ebenfalls«, fügte Verdan trocken hinzu. »Manchmal jagt mein Bruder etwas, das statt Hörnern Röcke trägt.«
Brin warf einen verstohlenen Blick auf Polgara und errötete.
»Ich hatte auch immer eine Vorliebe für Hirtinnen«, gestand Belgarath. »Die meisten sind sanft, verständnisvoll – und fühlen sich häufig sehr einsam, nicht wahr, Brin?«
»Das genügt, Vater!« rügte Polgara.
Für den Paß und die tiefergelegenen grünen Weiden zwischen den Bergen dahinter brauchten sie nahezu den ganzen Tag. Die Sonne berührte fast das schimmernde Meer an der Westseite der Insel, als sie über einen felsigen Kamm gelangten und sich auf den Abstieg zu den Klippen und der gischtenden Brandung an der Westküste machten.
»Wäre es möglich, daß ein Schiff an dieser Seite anlegte?« wandte Garion sich beim Hinunterklettern an Kail.
Kail keuchte von dem anstrengenden Weg und wischte sich mit dem Ärmel den Schweiß vom Gesicht. »An ein paar Stellen wäre es möglich, Belgarion – wenn man geschickt vorgeht. Es ist schwierig und gefährlich, aber möglich.«
Garions Hoffnung schwand. »Dann kann er die Insel bereits verlassen haben.«
»Ich hatte Schiffe dort draußen«, Kail deutete auf das Meer. »Ich schickte sie sofort los, als ich von der Entführung des Prinzen hörte. Nur, wenn er imstande gewesen wäre zu fliegen, hätte der Entführer den weiten Weg über die Berge hierher schaffen und mit seinem Schiff rechtzeitig wegkommen können, ehe unsere hier waren.«
»Dann werden wir ihn noch stellen!« rief der unerschütterliche Brin. Er zog sein Schwert halb aus der Scheide und spähte mit dem geübten Auge des Jägers um sich.
»Einen Moment!« warnte Durnik scharf. Er hob den Kopf und sog Wind ein. »Jemand ist vor uns!«
»Was?« Erregung erfaßte Garion.
»Ich habe gerade zweifellos eine Nasevoll des Körpergeruchs von jemandem abbekommen, der nicht viel vom Baden hält.«
Belgaraths Züge spannten sich. »Pol«, sagte er, »wie wäre es, wenn du mal rasch hinuntersiehst?«
Sie nickte, und ihre Stirn furchte sich vor Anstrengung. Garion spürte und hörte die ausgesandten Wellen, als sie das scheinbar menschenleere Gelände absuchte. »Chereker«, stellte sie nach einer kurzen Weile fest. »Etwa ein Dutzend. Sie verbergen sich hinter den Felsblöcken dort drüben am Rand der Klippen. Sie beobachten uns und planen einen
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