Malloreon 2 - König der Murgos
kommt, und Kheldar muß so schnell wie möglich zu Belgarion. Laß dir diese Chance nicht durch deinen dummen Ärger entgehen!«
Ihre Blicke maßen sich. Urgits Gesicht wirkte plötzlich zornig und das seiner Mutter unnachgiebig. Nach einer langen Weile senkte Urgit die Augen. »Das sieht dir gar nicht ähnlich, Mutter«, stellte er fest. »Weshalb versuchst du absichtlich, mich vor anderen zu demütigen?«
»Das tue ich gar nicht, Urgit. Ich versuche lediglich, dich zur Vernunft zu bringen! Ein König muß sich immer der Wirklichkeit beugen – selbst wenn das seinen Stolz verletzt.«
Er blickte sie lange durchdringend an. »So sehr drängt die Zeit nun auch nicht, Mutter. Sadi kann noch ein wenig warten, und es spielt auch keine Rolle, ob Kheldar heute oder erst morgen aufbricht. Ich würde sagen, daß du einen ganz persönlichen Grund hast, weshalb ich nicht mehr mit ihnen sprechen soll.«
»Unsinn«, entgegnete sie, aber ihr Gesicht verlor jegliche Farbe.
»Du bist beunruhigt, Mutter. Warum?«
»Sie kann es Euch nicht sagen«, warf Eriond plötzlich ein. Der junge Mann saß auf einer Bank vor einem Fenster, durch das die Herbstsonne golden auf sein blondes Haar fiel.
»Was?«
»Eure Mutter kann es Euch nicht sagen«, wiederholte Eriond. »Sie wahrt ein Geheimnis in ihrem Herzen, schon seit vor Eurer Geburt.«
»Nein!« rief Lady Tamazin unwillkürlich erschrocken. »Ihr dürft nicht davon sprechen!«
»Was ist das für ein Geheimnis?« fragte Urgit heftig, und sein Blick wanderte mißtrauisch von Gesicht zu Gesicht.
Röte überzog Erionds Wangen. »Ich möchte es lieber nicht sagen«, antwortete er verlegen.
Sammet hatte fasziniert zugehört und zugesehen, und während Garion ein erstaunlicher Verdacht kam, fing sie unerwartet zu lachen an.
»Was ist so komisch, junge Dame?« fragte Urgit sie gereizt.
»Mir ist nur ein merkwürdiger Gedanke gekommen, Eure Majestät«, erwiderte sie. Sie wandte sich an Lady Tamazin. »Habt Ihr nicht erwähnt, daß Ihr Fürst Kheldars Vater kanntet, meine Lady?«
Tamazin schob das Kinn vor, ihr Gesicht war noch totenbleich, aber sie antwortete nicht.
»Wie lange, würdet Ihr sagen, ist das her?« fragte Sammet.
Tamazins Lippen blieben fest geschlossen.
Sammet seufzte, dann blickte sie Silk an. »Kheldar«, sagte sie. »Dein Vater besuchte vor ziemlich langer Zeit einmal Rak Goska, nicht wahr? Ich glaube, König Rhodar schickte ihn, es ging wohl um ein Handelsabkommen. Erinnerst du dich, vor wie vielen Jahren das in etwa war?«
Er schaute sie verwirrt an. »Ich weiß es nicht. Es muß…« Er dachte nach. »Ich erinnere mich, daß Mutter mit mir im Palast in Boktor blieb, während er fort war. Ich glaube, ich war damals etwa acht. Demnach dürfte es vor vierzig Jahren gewesen sein. Was soll das eigentlich, Liselle?«
»Interessant«, murmelte sie, ohne auf seine Frage zu achten. »Meine Lady Tamazin«, sagte sie, »Ihr versichert Eurem Sohn immer wieder, daß er nicht wahnsinnig werden wird – aber verfällt nicht jeder männliche Urga diesem erblichen Irrsinn? Was macht Euch so sicher, daß er irgendwie dem Familienfluch entgehen wird?«
Tamazins Gesicht wurde noch bleicher, und sie preßte die Lippen noch fester zusammen.
»Mein Lord Seneschall«, wandte sich Sammet nunmehr an Oskatat, »nur aus Neugier, wie alt ist Seine Majestät?«
Auch Oskatats Gesicht war kreideweiß geworden. Er blickte Lady Tamazin gequält an, dann preßte auch er die Lippen zu sammen.
»Ich bin neununddreißig!« schnaubte Urgit. »Was spielt das für eine Rolle…« Plötzlich unterbrach er sich und riß die Augen weit auf. Wie betäubt drehte er sich um. »Mutter!« keuchte er.
Sadi fing zu lachen an.
»Ich liebe ein glückliches Ende, du nicht?« sagte Sammet strahlend zu Ce'Nedra. Sie blickte Silk spitzbübisch an. »Nun, warum sitzt du wie ein Klotz da, Kheldar? Steh auf und umarme deinen Bruder.«
Lady Tamazin erhob sich langsam mit stolzem Gesicht. »Ruft den Henker, Oskatat«, sagte sie. »Ich bin bereit.«
»Nein, meine Lady, das werde ich nicht!«
»Das Gesetz verlangt es«, bestand sie. »Eine Murgosin, die Schande auf das Haupt ihres Gemahls lädt, wird sofort hingerichtet!«
»Ach, setz dich wieder, Mutter«, sagte Urgit und kaute abwesend an einem Fingerknöchel. »Jetzt ist wahrhaftig nicht die Zeit für Theatralik!«
Silk blickte Sammet leicht verstört an. »Das hast du aber sehr schnell gefolgert, Liselle.«
»Nicht wirklich«, gestand sie. »Ich hätte
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