Malloreon 5 - Seherin von Kell
ragte.
Garion war vor Erschöpfung benommen. Sein Körper schrie nach Schlaf, aber sein Geist jagte von einem Gedanken zum anderen, und immer neue Bilder zogen an seinem inneren Auge vorbei. Später würde Zeit sein, alles zu ordnen, was sich hier am Ort, der nicht mehr ist, zugetragen hatte. Und da dachte er, wenn es je einen Ort gegeben hatte, der war, dann Korim. Korim war auf zeitlosere Weise wirklich als Tol Honeth, Mal Zeth oder Val Alorn. Er zog seine schlafende Gemahlin und seinen Sohn enger an sich. Sie rochen gut. Von Ce'Nedras Haar ging der übliche Blütenduft aus, und Geran roch wie jeder kleine Junge, der je gelebt hatte – ein liebenswertes Geschöpf, dem ein Bad nicht schaden könnte. Garion selbst, wie er fand, würde ein Bad nicht nur nicht schaden, er brauchte es dringend. Gestern war ein anstrengender Tag gewesen.
Seine Freunde waren in kleinen, ungewohnten Gruppen im Amphitheater verteilt. Barak, Hettar und Mandorallen unterhielten sich mit Zakath. Liselle kämmte Cyradis' Haar, aber ihre Gedanken beschäftigten sich augenscheinlich mit anderen Dingen. Die Damen waren offenbar alle entschlossen, sich der Seherin von Kell anzunehmen. Sadi und Beldin lungerten auf den Steinen in der Nähe des Drachenkadavers und tranken Bier. Sadis Miene war freundlich, verriet jedoch trotzdem, daß er das bittere Gesöff aus Höflichkeit mittrank, nicht weil es ihm schmeckte. Unrak streifte unternehmungslustig herum, und Nathel, der junge König der Thulls, folgte ihm auf dem Fuß. Erzherzog Otrath stand allein neben dem jetzt versiegelten Portal zur Grotte, sein Gesicht war von Angst gezeichnet. Offenbar hatte Zakath sich noch nicht die Zeit genommen, mit seinem entfernten Anverwandten über bestimmte Dinge zu sprechen. Eriond redete leise mit Tante Pol, Durnik, Belgarath und Poledra. Den jungen Gott umgab ein seltsamer heller Schein. Silk war nirgendwo zu sehen.
In diesem Moment kam der kleine Mann um die Pyramide herum. Von der hinteren Seite stieg eine dunkle Rauchsäule auf. Silk trat die Treppe zum Boden des Amphitheaters hinunter und setzte sich neben Garion. »Was hast du gemacht?« fragte ihn Garion.
»Kapitän Kresca das Signal gegeben«, antwortete Silk. »Er kennt den Rückweg nach Perivor, und ich habe Barak schon mal in Meerengen navigieren sehen. Die Seevogel ist für offenes Meer gebaut, nicht für gefährliche Gewässer, wo sie sich hindurchwinden muß.« »Es wird Barak kränken, wenn du ihm das sagst, das ist dir doch klar.«
»Das habe ich auch gar nicht vor.« Der rattengesichtige kleine Mann streckte sich auf den Steinen neben Garion und seiner Familie aus.
»Hat Liselle schon dieses kleine Gespräch mit dir geführt?« fragte Garion.
»Ich glaube, das will sie sich aufheben, bis sie sicher sein kann, daß wir dabei nicht gestört werden. Ist die Ehe immer so? Ich meine, lebt man in ständiger Angst vor diesen Gesprächen?«
»Es kommt jedenfalls vor. Aber du bist ja noch gar nicht verheiratet.«
»Doch näher dran, als ich es je für möglich gehalten hätte.« »Bereust du es bereits?«
»Nein, nicht wirklich. Liselle und ich passen gut zusammen. Wir haben sehr viel Gemeinsamkeiten. Ich wünschte nur, sie würde nicht ständig solch eine Drohung über meinem Haupt schweben lassen.« Silk schaute sich mürrisch im Amphitheater um. »Muß er so leuchten?« Er deutete auf Eriond.
»Er merkt es wahrscheinlich selbst gar nicht. Schließlich ist es was Neues für ihn. Mit der Zeit wird er bestimmt geschickter.« »Ist dir klar, daß wir einen Gott tadeln?«
»Er war schon unser Freund, ehe er ein Gott wurde, Silk. Freunde können tadeln, ohne zu beleidigen.«
»Ah, sind wir heute morgen aber philosophisch! Aber weißt du, daß mir gestern fast das Herz stehengeblieben wäre, als er Belgarath und Poledra mit dem Auge berührte?«
»Mir ging's genauso«, gestand Garion. »Aber offenbar hat er gewußt, was er tut.« Er seufzte. »Was hast du?«
»Es ist jetzt alles vorbei. Ich glaube, es wird mir fehlen zumindest nachdem ich dazu gekommen bin, mich endlich auszuschlafen.« »Es war wirklich ziemlich aufreibend in den letzten Tagen, da muß ich dir zustimmen. Ich glaube, wenn wir zwei uns zusammentun, fällt uns bestimmt was Aufregendes ein, um uns die Zeit zu vertreiben.« »Ich weiß, was ich tun werde«, entgegnete Garion. »Oh? Was denn?«
»Ich werde ein sehr ausgefülltes Leben als Vater führen.«
»Dein Sohn bleibt auch nicht immer ein Kind, Garion.«
»Aber er wird nicht
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