Malloreon 5 - Seherin von Kell
Welt zurückgefallen ist. Bisher konnten wir immer ein wenig Trost in dem schier ewigen Zwist zwischen Alornern und Angarakanern finden und in dem neueren Krieg zwischen Mallorea und Murgo, in dem Gedanken, daß ihre Zwietracht gewissermaßen ein Entschuldigungsgrund für unsere war. Dieser karge Trost, dünkt mir, wird uns nicht mehr gegeben sein. Sollen wir es gesagt sein lassen, daß nur noch in diesem unglücklichsten aller Königreiche Groll und gröbster Streit vorherrschen? Wie können wir in einer friedlichen Welt den Kopf hoch tragen, solange kindischer Hader und lächerlicher Bürgerkrieg unsere Beziehung zueinander beeinträchtigt?«
»Ich erachte Eure Worte als höchst beleidigend, Mylord«, entrüstete sich ein starrsinniger junger Baron. »Kein wahrer Mimbrater könnte sich je dem strengen Ruf der Ehre verschließen.«
»Ich spreche nicht nur von Mimbratern, Baron«, erwiderte der alte Mann milde. »Ich spreche von allen Arendiern, Asturern ebenso wie Mimbratern.«
»Asturer haben keine Ehre!« entgegnete der Baron verächtlich. Lelldorin griff sogleich nach seinem Schwert.
»Nein, mein junger Freund«, sagte Mandorallen und hielt den ungestümen jungen Mann zurück. »Die Beleidigung wurde hier – auf mimbratischem Boden – ausgesprochen. Deshalb ist es meine Pflicht, sie zu beantworten.« Er trat vor. »Eure Worte waren vielleicht etwas voreilig, Mylord«, sagte er höflich zu dem hochmütigen Baron. »Ich ersuche euch, sie zu bedenken.«
»Ich habe gesagt, was ich gesagt habe, Herr Ritter!« erklärte der junge Hitzkopf.
»Ihr habt unhöflich zu einem verehrten Ratgeber des Königs gesprochen«, sagte Mandorallen fest. »Und Ihr habt einen unserer nördlichen Brüder tödlich beleidigt.«
»Ich habe keine asturischen Brüder!« entgegnete der Baron. »Und ich geruhe nicht, Verwandtschaft mit Schurken und Verrätern anzuerkennen.«
Mandorallen seufzte. »Ich bitte Euch, verzeiht mir, Eure Majestät«, entschuldigte er sich bei seinem Monarchen. »Vielleicht möchtet Ihr, daß die Damen sich zurückziehen, denn ich beabsichtige, mich nunmehr einer offeneren Sprache zu bedienen.«
Doch keine Macht der Welt hätte die Hofdamen jetzt aus dem Thronsaal zerren können.
Mandorallen wandte sich wieder dem hohnlächelnden Baron zu. »Mylord«, sagte der mächtige Ritter ruhig, »ich finde Eure Visage affengleich und Euren Körper mißgestaltet. Obendrein ist Euer Bart anstoßerregend, indem er eher dem räudigen Fell am Hinterteil eines Straßenköters gleicht denn der ziemlichen Zier eines Männergesichts. Könnte es sein, daß sich Eure Mutter, von wilder Lust erfaßt, einem geilen Ziegenbock hingab?«
Der Baron wurde kreidebleich und würgte, ohne ein Wort hervorzubringen.
»Ihr deucht mir erzürnt, Mylord«, sagte Mandorallen im selben täuschend milden Ton, »oder hat Eure unziemliche Abstammung Eurer Zunge menschliche Sprache verwehrt?« Er blickte den Baron abfällig an. »Es entgeht mir nicht, Mylord, daß es Euch außer an guter Erziehung auch an Mut gebricht, denn wahrlich, kein Ehrenmann würde solch tödliche Beleidigungen hinnehmen wie jene, mit denen ich Euch herausgefordert habe. Deshalb, befürchte ich, muß ich noch etwas weitergehen.« Er zog seinen Rüsthandschuh aus. Wie jedermann wußte, war es üblich, bei einer Herausforderung den Fehdehandschuh auf den Boden zu werfen. Mandorallen verfehlte jedoch irgendwie den Boden. Der junge Baron taumelte rückwärts und spuckte Blut und Zähne.
»Ihr seid kein Jüngling mehr, Ritter Mandorallen«, fuhr er nun auf. »Lange habt Ihr Euch hinter Eurem fragwürdigen Ruf verkrochen, um einen Zweikampf zu vermeiden. Mir deucht es an der Zeit, daß Ihr Euch einem echten Gegner stellt!«
»Er spricht!« rief Mandorallen mit gespieltem Staunen. »Welch ein Wunder, meine Damen und Herren – ein sprechender Hund!« Darüber lachten die Anwesenden.
»Begeben wir uns auf den Hof, Mylord der Flöhe«, fuhr Mandorallen fort. »Vielleicht findet Ihr Vergnügen an einem Schwertkampf mit einem so alten und gebrechlichen Ritter.«
Die nächsten zehn Minuten wurden sehr lange für den insolenten jungen Baron. Mandorallen, der ihn zweifellos mit einem Streich hätte töten können, spielte statt dessen mit ihm und fügte ihm zahllose schmerzhafte und demütigende Verletzungen zu. Doch keine der Knochen, die ihm der mächtige Ritter brach, waren lebensnotwendig, und keine der Schnittwunden und Prellungen machten ihn zum Krüppel. Der Baron taumelte
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