Malloreon 5 - Seherin von Kell
ersparen konnte, sie an ihn weiterzugeben. Kheva war ein rücksichtsvoller Junge.
Bei dem betreffenden Gespräch war es um das mysteriöse Verschwinden des Grafen von Trellheim, seines Schiffes Seevogel und mehrerer anderer Personen, darunter Trellheims Sohn Unrak, gegangen.
Barak, Graf von Trellheim, wurde von manchen Seiten als unzuverlässig angesehen, und seine Begleiter bei diesem merkwürdigen Verschwinden waren noch schlimmer, falls das überhaupt möglich war. Jedenfalls beunruhigte die alornischen Könige die Unberechenbarkeit eines sich auf dem Meer – nur die Götter wußten auf welchem – herumtreibenden Baraks und seiner Schar.
Was den jungen König Kheva jedoch am meisten beschäftigte, war nicht irgendeine mögliche Katastrophe, sondern daß sein Freund Unrak dabeisein durfte und er nicht. Diese Ungerechtigkeit fraß an ihm. Die Tatsache, daß er ein König war, schloß ihn offenbar von allem aus, das auch nur im entferntesten als gefährlich angesehen werden konnte. Alle überschlugen sich schier, nur daß Kheva ja geschützt und sicher war, aber Kheva wollte nicht geschützt und sicher sein. Schutz und Sicherheit waren langweilig, und Kheva befand sich in einem Alter, in dem er bereit war, alles zu tun, nur um sich nicht zu langweilen.
Ganz in Rot gewandet, schritt er an diesem Wintervormittag durch die Marmorhallen des Schlosses in Boktor. Vor einem großen Wandteppich blieb er stehen und tat, als studiere er sein Muster. Dann, nachdem er verhältnismäßig sicher war, daß er nicht beobachtet wurde – immerhin waren sie hier in Drasnien – schlüpfte er hinter diesen Wandteppich und in das bereits erwähnte Gelaß.
Seine Mutter besprach sich mit der Nadrakerin Vella und mit Yarblek, dem ungepflegten Partner von Fürst Kheldar. Vella machte König Kheva nervös. Sie weckte merkwürdige Gefühle in ihm, über die nachzudenken er noch nicht bereit war, deshalb ging er ihr meistens aus dem Weg. Yarblek dagegen konnte sehr amüsant sein. Seine Sprache war derb, häufig ungemein anschaulich und mit Verwünschungen gespickt, deren Bedeutung Kheva noch nicht verstehen sollte.
»Sie tauchen schon wieder auf, Porenn«, versuchte Yarblek Khevas Mutter zu beruhigen. »Barak war bloß langweilig, das ist alles.« »Ich würde mir ja keine solchen Sorgen machen, wenn nur ihn die Langeweile geplagt hätte«, entgegnete Königin Porenn. »Aber die Tatsache, daß diese Langeweile sich als so ansteckend erwiesen hat, beunruhigt mich. Baraks Begleiter sind nicht gerade die vernünftigsten.«
»Ich habe sie kennengelernt.« Yarblek nickte. »Ihr könntet recht haben.« Er stiefelte kurz hin und her. »Ich muß unsere Leute zur Beobachtung auf sie ansetzen.«
»Yarblek, ich habe den besten Geheimdienst auf der Welt!«
»Möglich, Porenn, aber für Silk und mich arbeiten mehr Leute, als Ihr aufbringen könnt. Und wir haben Kontore und Lagerhäuser an Orten, von denen Javelin noch nicht einmal gehört hat.« Er blickte Vella an. »Möchtest du mit mir nach Gar og Nadrak zurückkehren?« »Mitten im Winter?« protestierte Porenn.
Yarblek zuckte mit den Schultern. »Wir müssen uns einfach wärmer anziehen, das ist alles.«
»Was willst du denn dort?« fragte Vella. »Ich bin wirklich nicht sehr daran interessiert, nur herumzusitzen, während du über Geschäfte redest.«
»Ich dachte, wir reisen nach Yar Nadrak. Javelins Leute konnten offenbar nicht herausfinden, was Drosta im Schilde führt.« Er unterbrach sich und blickte Königin Porenn nachdenklich an. »Außer sie haben in letzter Zeit etwas erfahren, wovon ich noch nicht gehört habe«, fügte er hinzu.
»Würde ich Euch solche Informationen vorenthalten, Yarblek?« fragte sie mit gespielter Unschuld.
»Wahrscheinlich schon. Aber wenn Ihr etwas wißt, Porenn, dann weiht mich ein. Ich möchte diese Reise nicht unnötig machen, und Yar Nadrak ist kein sehr angenehmer Ort im Winter.«
»Ich habe noch nichts erfahren«, versicherte sie ihm ernst.
»Ich habe es auch nicht angenommen«, brummte Yarblek. »Drasnier sehen zu sehr wie Drasnier aus, als daß sie sich in Yar Nadrak herumtreiben könnten, ohne Aufmerksamkeit zu erregen.« Er blickte Vella an. »Na?«
»Warum nicht?« erklärte sie sich einverstanden. »Nehmt es bitte nicht persönlich, Porenn, aber Euer Unternehmen – Euer Versuch – , eine Dame aus mir zu machen, fängt an, meine Umsicht zu beeinträchtigen. Könnt Ihr Euch vorstellen, daß ich gestern mein Zimmer mit nur einem meiner
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