Malloreon 5 - Seherin von Kell
der euch gewiß ehren und seine Gastfreundschaft anbieten wird.«
»Wir stehen immer tiefer in Eurer Schuld, Baron«, sagte Garion.
Der Baron lächelte verschmitzt. »Ich muß Euch gestehen, Herr Ritter, daß meine Motive nicht selbstlos sind. Es wird mein Ansehen heben, wenn ich am Hof fremde Ritter vorstelle, die eine hehre Aufgabe durchführen.«
»Das stört uns wahrhaftig nicht, mein Freund.« Garion lachte. »So hat doch jeder seinen Nutzen daran.«
»Zumindest wird mein Großvater diesmal keinen Baum wachsen lassen müssen«, flüsterte Garion Zakath zu. »Hat er das schon einmal getan?«
»Als wir das erste Mal Vo Mimbre besuchten, wollte der Posten am Burgtor Mandorallen nicht glauben, als er Großvater als den Zauberer Belgarath vorstellte, deshalb nahm Großvater ein Zweigstück, daß sich im Schweif seines Pferdes verfangen hatte, und ließ mitten auf dem Platz vor der Burg einen Apfelbaum wachsen. Dann befahl er dem mißtrauischen Ritter, diesen sein Leben lang zu pflegen.« »Hat der Ritter es wirklich getan?«
»Das glaube ich schon. Mimbrater nehmen Befehle dieser Art sehr ernst.« Er überlegte. »Das Gewitter, das ich rief, mag auch dazu beigetragen haben«, fügte er hinzu. »Mandorallen und Nerina verzehrten sich jedenfalls schon seit Jahren nach einander, taten aber die ganze Zeit nichts anderes, als stumm vor sich hin zu leiden. Ich hatte schließlich genug davon, also befahl ich ihnen, die Sache voranzubrigen. Ich bediente mich einiger weiterer Drohungen. Ich habe dieses große Messer hier.« Er deutete mit dem Daumen über die Schulter. »Es erregt manchmal eine Menge Aufmerksamkeit.« Zakath lachte. »Garion, du bist ein Bauer.«
»Ja, wahrscheinlich«, gab Garion zu. »Aber schließlich brachte ich sie so weit, daß sie heirateten. Jetzt sind sie unbeschreiblich glücklich, und wenn doch irgendetwas schiefgehen sollte, können sie immer noch mir dafür die Schuld geben, nicht wahr?«
»Du bist nicht wie andere Männer, mein Freund«, sagte Zakath sehr ernst.
»Nein.« Garion seufzte. »Wahrscheinlich nicht. Ich möchte es aber gern sein. Die Welt lastet schwer auf dir und mir, Zakath, und sie läßt uns keine Zeit für uns selbst. Möchtest du nicht auch einfach einmal an einem schönen Sommermorgen in den Sonnenaufgang reiten und sehen, was hinter dem nächsten Berg liegt?«
»Ich dachte, genau das haben wir die ganze Zeit getan.«
»Nicht wie ich es meine. Wir tun es, weil wir müssen, nicht zu unserem eigenen Vergnügen.«
»Ich habe seit Jahre nichts mehr zum Vergnügen getan.«
»Hat es dir keinen Spaß gemacht, König Gethel von den Thulls zu drohen, du würdest ihn kreuzigen lassen? Ce'Nedra hat es mir erzählt.«
Zakath lachte. »Das war nicht so übel«, gestand er. »Ich hätte die Drohung natürlich nicht wahr gemacht. Gethel war ein Schwachkopf, aber zu dem Zeitpunkt nicht entbehrlich.«
»Es ist doch immer das gleiche, findest du nicht? Du und ich tun, was notwendig ist, nicht, was wir gern tun möchten. Weder du noch ich wollten diese hohe Würde, aber wir werden tun, was nötig ist und was von uns erwartet wird. Denn wenn wir es nicht tun, wird diese Welt sterben und gute ehrliche Menschen mit ihr. Das lasse ich nicht zu, wenn ich etwas dagegen unternehmen kann. Ich werde diese guten ehrlichen Menschen nicht im Stich lassen, und du ebensowenig. Du bist selbst ein zu guter Mensch.« »Gut? Ich?«
»Du unterschätzt dich, Zakath, und ich glaube, daß sehr bald jemand kommen und dich lehren wird, dich nicht mehr selbst zu hassen.« Zakath zuckte sichtlich zusammen.
»Du hast nicht gedacht, daß ich es weiß«, bohrte Garion unerbittlich weiter. »Doch das ist jetzt bald vorüber. Dein Leid und dein Schmerz sind schon fast überstanden, und wenn du irgendwelche Anweisungen benötigst, wie man glücklich sein kann, dann komm ruhig zu mir. Wozu sind Freunde schließlich da?«
Hinter Zakaths geschlossenem Visier war ein fast abgewürgtes Schluchzen zu hören.
Die Wölfin war zwischen ihren Pferden gelaufen. Nun blickte sie zu Garion hinauf. »Sehr gut gemacht«, lobte sie. »Vielleicht habe ich dich unterschätzt, junger Wolf. Vielleicht bist du gar kein Welpe mehr.«
»Man kann nur versuchen, sein Bestes zu tun«, erwiderte Garion in der Sprache der Wölfe. »Ich hoffe, ich habe mich nicht als zu große Enttäuschung erwiesen.«
»Ich glaube, aus dir kann noch etwas werden, Garion.«
Und das bestätigte etwas, was Garion bereits eine geraume Weile vermutete.
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