Malloreon 5 - Seherin von Kell
erwählst, ein Gott wird. Also wähl nicht mich. Ich bin dafür nicht geeignet.«
Die anderen kamen auch nach und nach, einzeln oder zu zweien. Während sie eintraten, musterte Garion sie insgeheim und versuchte sich jeden einzelnen als Gott vorzustellen. Tante Pol? Nein, das erschien ihm irgendwie nicht richtig, und das schloß automatisch auch Durnik aus. Er konnte ihr doch den Gemahl nicht wegnehmen. Silk? Allein bei dieser Vorstellung hätte Garion fast schallend aufgelacht. Zakath? Das wäre eine Möglichkeit. Zakath war Angarakaner, und der neue Gott würde der Gott dieser Rasse sein. Allerdings war Zakath etwas unberechenbar. Bis vor kurzem war sein Machthunger unbezwingbar gewesen. Und wenn er plötzlich zur Gottheit wurde, könnte das möglicherweise seinem Geist schaden und den Machthunger zurückbringen. Garion seufzte. Er würde noch eingehender darüber nachdenken müssen.
Die Diener brachten das Frühstück, und Ce'Nedra, die sich offensichtlich an ihr Versprechen erinnerte, gab Eier, Wurst und einen großen Löffelvoll Marmelade auf einen Teller für den Welpen. Die Wölfin wandte sich schaudernd ab.
Während des Essens vermieden sie es, von der schon am nächsten Tag bevorstehenden Begegnung zu sprechen. Sie war nun unvermeidlich, und nichts, was sie sagen könnten, würde daran etwas ändern.
Belgarath schob mit zufriedener Miene seinen Teller zurück. »Vergiß nicht, dich beim König für seine Gastfreundschaft zu bedanken«, ermahnte er Garion.
Und dann kam die Wölfin herüber und legte den Kopf auf den Schoß des alten Mannes. Belgarath blinzelte überrascht. Bisher war ihm die Wölfin meistens aus dem Weg gegangen. »Was gibt es, kleine Schwester?« fragte er sie.
Zu aller Erstaunen lachte die Wölfin und sagte ganz deutlich in der Sprache der Menschen: »Sehr wach ist dein Verstand wohl nicht mehr, alter Wolf. Ich dachte, du würdest mich schon vor Wochen erkennen. Hilft dies?« Plötzlich umgab ein blauer Schein sie. »Oder dies?« Die Wölfin schimmerte und verschwand. An ihrer Stelle stand eine braunhaarige, goldenäugige Frau in braunem Gewand. »Mutter!« rief Polgara.
»Du bist ebenso unaufmerksam wie dein Vater, Polgara«, rügte Poledra. »Garion weiß es schon geraume Zeit.« Belgarath jedoch starrte entsetzt auf den Welpen.
»Überleg doch vernünftig, alter Mann«, sagte seine Gemahlin kopfschüttelnd. »Du weißt, daß wir für das ganze Leben verbunden sind. Der Welpe war schwach und kränklich, deshalb mußte das Rudel ihn zurücklassen. Ich habe mich seiner angenommen, das ist alles.«
Die Seherin von Kell lächelte sanft. »Dies ist die Hüterin, Ehrwürdiger Belgarath. Nun ist eure Gruppe vollständig. Wisset jedoch, daß sie immer bei Euch ist, so wie sie es immer war.«
Dritter Teil
DIE HÖHEN VON KORIM
18
G arion hatte seine Großmutter – oder ihr Sendbild – schon mehrmals gesehen, aber jetzt erschien ihm die Ähnlichkeit mit Tante Pol geradezu unheimlich. Natürlich gab es Unterschiede. Beispielsweise war Tante Pols Haar, von der weißen Strähne über der Stirn abgesehen, dunkel, fast schwarz, und ihre Augen leuchteten in einem tiefen, tiefen Blau. Poledra andererseits hatte hellbraunes Haar, das Sammets Honigblond nahekam, und ihre Augen waren golden wie die eines Wolfes. Die Züge der beiden Frauen waren jedoch fast völlig gleich, ebenso wie die von Beldaran, Tante Pols Schwester, gewesen war, deren Sendbild Garion einmal gesehen hatte. Belgarath, seine Gemahlin und seine Tochter hatten sich in die hintere Ecke des Gemachs zurückgezogen, und Beldin, auf dessen betont finsterem Gesicht Tränen glänzten, hatte sich zwischen sie und die anderen im Gemach gestellt, um dafür zu sorgen, daß sie während ihres Wiedersehens ungestört blieben. »Wer ist sie?« fragte Zakath Garion verwirrt.
»Meine Großmutter«, antwortete Garion. »Belgaraths Gemahlin.« »Ich wußte gar nicht, daß er eine Frau hatte!« »Woher, glaubst du, kam Tante Pol?« »Oh. Darüber habe ich nie nachgedacht.« Zakath schaute sich um und bemerkte, daß sowohl Ce'Nedra wie Sammet sich die Augen mit hauchdünnen Taschentüchlein tupften. »Warum haben alle so feuchte Augen?«
»Wir hatten geglaubt, sie wäre nach der Geburt von Tante Pol und ihrer Schwester Beldaran im Kindbett gestorben.«
»Und wann war das?«
Garion zuckte mit den Schultern. »Tante Pol ist über dreitausend Jahre alt.«
Zakath riß die Augen auf. »Und Belgarath hat die ganze Zeit um sie
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