Malory 09 - Der geheimnisvolle Verführer
mir beileibe nicht vorstellen, mein ganzes Leben auf ihr zu verbringen. Zu viel Wind, die Luft ist zu salzig, und ich habe mehr als einmal befürchtet, so fürchterlich seekrank zu werden wie unser Kutscher.«
Auch darauf hatte er eine Antwort, die nicht lange auf sich warten ließ. »Ich bin bereit, die Seefahrt an den Nagel zu hängen, wenn Sie es ebenfalls sind. Wenn Sie es genau wissen wollen, bin ich dieses Jahr zu dem Entschluss gekommen, das Leben auf dem Wasser gegen ein Leben an Land einzutauschen, genauer gesagt wollte ich mich in England niederlassen. Das war, kurz bevor sich unsere Wege zum ersten Mal gekreuzt haben. Vergessen Sie nicht, dass Sie auch Familie in England haben.«
»Nein, habe ich nicht.«
»Aber ich dachte …«
»Das tat ich anfangs auch. Aber sie wollen nichts mit mir zu tun haben, und genau, wie sie meine Mutter verstoßen haben, habe ich sie jetzt verstoßen.«
»Das tut mir leid.«
Sie zuckte die Achseln. »Ich bin darüber hinweg.«
Das war sie nicht, aber sie wollte einfach nicht mehr über dieses leidige Thema reden, genauso wenig wie über eine mögliche Heirat. Und dennoch steckten sie mitten in der Diskussion. Wieder ein Kampf, den sie verloren hatte. Er brachte sie dazu, ihre Ziele zu überdenken, was ihr Angst einflößte. Während er eine Reihe von netten Antworten parat hatte, die die Zukunft betrafen – sie hatte im Grunde nichts dagegen, sich eines Tages in England niederzulassen –, so mangelte es ihm doch an Antworten auf die Gegenwart. Weil es keine gab. Wenn sie Mann und Frau wurden, bedeutete das unausweichlich, dass sie bald schwanger würde, wenn sie das nicht schon längst war, so lüstern wie Boyd von Natur aus war. Eine Schwangerschaft würde das endgültige Ende ihrer Reise bedeuten.
Aber, o Gott, wenn sie ihn tatsächlich heiratete, bedeutete das auch, dass sie jeden Tag in den Genuss seiner Berührungen käme und nie wieder darauf verzichten müsste.
Sie hatte sich diesen einen Tag an Glückseligkeit gegönnt, aber mehr würde es von dieser Sorte nicht geben. Es sei denn, sie nahm ihn zum Mann.
Die Welt ihm zuliebe aufgeben? Wo er sie doch nicht einmal liebte? Trotzdem schrien ihre Gefühle, sie solle genau das tun – der ultimative Beweis dafür, dass sie dasselbe Problem hatte wie er. Sie konnte keinen klaren Gedanken fassen, wenn er in ihrer Nähe war.
Gerade als sie ihm sagen wollte, dass sie es sich noch einmal durch den Kopf gehen lassen würde, entdeckte sie ein Schiff am Horizont.
Kapitel 38
»Runter vom Strand, Katey, schnell. Und jetzt bitte keine Widerworte!«
Einzig der Tatsache, dass er ihr sagte, sie solle nicht mit ihm diskutieren, war es geschuldet, dass sie sich fügte. Dennoch meinte sie: »Aber Sie sagten doch, wir sollten am Strand bleiben, damit Tyrus uns findet.«
»Das ist nicht die Oceanus.«
»Wie wollen Sie das aus dieser Entfernung wissen?« Die anfängliche Freude über die bevorstehende Rettung trübte sich. Ein panischer Unterton schlich sich in ihre Stimme.
»Weil es sich um einen Zweimaster handelt, jene Art Schiff, die von den Piraten in dieser Gegend bevorzugt wird.«
Mehr brauchte er nicht zu sagen. Im selben Moment lief sie geduckt auf die Sträucher hinter ihnen zu, während er sich die Zeit nahm, das Feuer mit Sand zu bedecken, um die Rauchbildung zu unterbinden. Anschließend warf er die eingesammelten Palmwedel unter die nächste Palme, damit es so aussah, als lägen sie dort schon immer. Zum Schluss schnappte er sich seine Schuhe und seine Jacke und folgte ihr.
Sie lag flach auf dem Bauch und spähte über den Rand des höchsten Strandabschnittes. Es sah aus, als würde das Schiff langsam an dem Eiland vorbeisegeln.
»Sie haben uns nicht gesehen.« Sie gab sich alle Mühe, zuversichtlich zu klingen, sprach aber so leise, dass sie sich Lügen strafte.
»Das lässt sich jetzt noch nicht sagen.«
»Aber wieso sollten sie überhaupt in unsere Richtung blicken, wenn sie in die Richtung segeln?«
Sie deutete mit dem Daumen auf den Zweimaster, der sich von der Insel entfernte. Boyd sah zu ihr herab und wirkte, als wolle er etwas sagen, entschied sich dann aber dafür, es nicht zu tun. Genau dieses Zögern war es, das Katey mehr Angst einflößte als alles, was er hätte sagen können.
»Was?«, fragte sie ihn.
»Nichts, Sie hatten recht.«
»Nein, hatte ich nicht«, entgegnete sie mit immer panischer werdender Stimme. »Bitte verraten Sie mir, warum ich mich täusche.«
Er stieß einen Seufzer
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