Malory 09 - Der geheimnisvolle Verführer
…
»Besorgt war ich, ja, aber in erster Linie um Boyd. Er hatte mir ein Versteck hinter dem Strand zugewiesen, wo ich bleiben sollte, bis er mit ihnen fertig war. Aber ich war viel zu nervös, um mich dort zu verkriechen. Als ich wieder an den Strand kam, entdeckte ich ein weiteres Boot, das die Insel ansteuerte. Ich wusste jedoch auch, dass Boyd noch mit der ersten Gruppe zugange war und nicht wissen konnte, dass sich ein zweites Boot näherte. Das war der Moment, in dem ich panisch wurde aus Angst, die zweite Gruppe könnte Boyd überraschen und ihn in ihre Gewalt bringen. Um ihm ein wenig Zeit zu verschaffen, habe ich entschieden, mich zu erkennen zu geben.«
»Aber haben die Piraten denn nicht versucht, Sie in ihre Gewalt zu bringen?«
Angewidert verzog sie die Lippen. »Das hätten sie vermutlich auch, aber zum Glück waren sie zu sehr damit beschäftigt, sich über mich kaputtzulachen, weil ich sie mit Steinen beworfen habe, die ich eigens dafür aufgelesen hatte. Nicht einer der Steine, die ich geworfen habe, ist in ihrer Nähe gelandet. Eigentlich war es ein kümmerlicher Versuch, ihnen Schaden zuzufügen, aber es war genau das Richtige, um sie abzulenken.«
Anthony ließ sich überrascht nach hinten fallen. »Und wieder einmal sind Sie als Retterin in Erscheinung getreten.«
»Aber nicht doch. Ich habe Boyd lediglich Zeit verschafft, sich anzuschleichen, damit er sie aus dem Hinterhalt angreifen konnte. Im Nachhinein betrachtet, erscheint mir alles doch sehr aufregend. Das wäre dann schon mein zweites Abenteuer, seitdem ich meine Reise begonnen habe. Es ist mir sogar gelungen, einen der Freibeuter bewusstlos zu schlagen, als sie mir den Rücken zugewandt haben, um sich auf Boyd zu stürzen. Mit den letzten drei hat er kurzen Prozess gemacht. Sie hätten ihn sehen müssen. Er war großartig, zumal er kaum einen Kratzer abbekam.«
Die Brüder wechselten vielsagende Blicke, ehe Anthony sich ein Herz nahm und fragte: »Katey, könnte es sein, dass Sie Gefühle für Boyd Anderson entwickelt haben?«
»Nein.«
Die Antwort kam so schnell, dass Anthony nicht weiter nachbohrte, sondern lediglich hinzufügte: »Das freut mich zu hören, vor allem, weil er bei uns in Ungnade gefallen ist.«
James feixte. »Als ob das etwas Neues wäre.«
Anthony widersprach ihm. »Du warst nicht zugegen, alter Mann, aber ich hatte kürzlich einen Grund, dem Yank dankbar zu sein.«
James täuschte Überraschung vor. »Was du nicht sagst.«
»Mein Dank sollte ja auch nur von kurzer Dauer sein.«
»Gut, dass die Phase vorbei ist«, sagte James.
»Das kannst du laut sagen«, stimmte Anthony mit säuerlicher Miene zu. »Eines muss man ihm lassen, er scheint seine Sache heute gut gemacht zu haben.«
James warf seinem Bruder einen vernichtenden Blick zu, ehe er sich mit etwas freundlicherer Miene an Katey wandte: »Katey, meine Liebe, tun Sie uns den Gefallen und halten Sie unseren missratenen Schwager jetzt nicht für einen Helden, nur weil er ein Dutzend Schurken erledigt hat. Wenn die Piraten, wie Sie sagten, ihn unversehrt haben wollten, hatte er den Vorteil möglicherweise auf seiner Seite. Jeder Mann, der ein wenig vom Faustkampf versteht, hätte vermutlich genauso gehandelt.«
»Ich sage es nur ungern, aber ich fürchte, in dem Fall irren Sie sich«, sagte sie schmallippig. »Gewaltig sogar.«
Vor allem, weil die Oceanus nicht auf der Seite der Insel gewesen war. Aber sie sah keinen Sinn darin, dies den Malory-Brüdern auf die Nase zu binden.
James hatte jedoch gemerkt, dass ihr eine Laus über die Leber gelaufen war, und sagte nachdenklich: »Aber wenn ich Sie richtig verstanden habe, sind Sie derzeit wütend auf ihn.«
»Wie kommen Sie denn auf die Idee?«, erwiderte sie sarkastisch.
James antwortete mit einem Grinsen. »Ihr Ausspruch, dass Sie ihn bitten, so zu tun, als würden Sie einander nicht kennen, könnte mich auf die Fährte gebracht haben. Aber das ist noch nicht alles. Wir haben vom Schiff aus gesehen, wie Sie ihm am Strand die Leviten gelesen haben.«
Katey stöhnte im Geiste, als ihr aufging, dass sie die Insel vermutlich mit Fernrohren im Visier gehabt hatten. Für sie stand jedoch fest, dass sie dieses Thema auf keinen Fall mit den beiden diskutieren wollte. Wie es schien, hatte sie die Rechnung jedoch ohne die Malory-Brüder gemacht.
Eine von James' goldenen Augenbrauen schoss in die Höhe. »Möchte Sie darüber sprechen?«
»Nein.«
»Es ging also um nichts, das eine Bestrafung
Weitere Kostenlose Bücher