Malory 09 - Der geheimnisvolle Verführer
Störenfried gemausert. Am meisten schmerzte ihn jedoch, dass sie nicht die liebevolle, sanfte junge Frau war, für die er sie die ganze Zeit über gehalten hatte.
»Die Kinder, die mit Ihnen an Bord waren, waren gar nicht Ihre eigenen, habe ich recht? Waren das auch Entführungsopfer?«
Er gab ihr keine Gelegenheit, sich zu rechtfertigen, aus Angst, dem Schwall von Entschuldigungen, der unweigerlich folgen würde, nicht gewachsen zu sein. Dann, so spürte er, bestünde nämlich die Gefahr, dass er sie ziehen ließe, sobald sie ihn mit einer honigsüßen Entschuldigung und einem sinnlichen Lächeln um den Finger gewickelt hätte. Als sie sich auch noch in seinen Armen zu winden begann, fürchtete er, dass es um ihn geschehen war.
Ohne von ihr abzulassen, zog er sie quer durch den Raum und schob mit dem Fuß einen Stuhl ohne Armlehnen in die Mitte des Raums. Nachdem er sie dazu gezwungen hatte, Platz zu nehmen, beugte er sich so weit zu ihr herunter, dass nur mehr ein Blatt Papier zwischen ihre Nasenspitzen passte.
»Sie glauben gar nicht, wie groß meine Lust ist, mich an Ihnen zu vergehen. Sollten Sie Anstalten machen aufzustehen, fasse ich das als Einladung auf.«
»Sie machen einen gewaltigen …«
Im Nu lagen seine Finger wieder auf ihrem Mund. Anscheinend reichte das boshafte Funkeln in seinen Augen aus, sie verstummen zu lassen, wenngleich ihr anzusehen war, wie viel Überwindung es sie kostete.
»Muss ich noch deutlicher werden, damit Sie mir glauben, dass ich Sie am liebsten auf das Bett werfen würde?«, raunte er und befreite ihre Lippen. »Oder war das bereits eine Einladung?«
Mit grimmigem Blick schüttelte sie den Kopf. Wie groß und wundervoll ihre Augen leuchteten, wenn sie erzürnt war! Wie kostbare Smaragde. Nachdem er den Gedanken abgeschüttelt hatte, richtete er sich auf und sah auf sie herab. »Sie werden schön brav sitzen bleiben, haben wir uns verstanden?«
Abermals schüttelte Katey das Haupt.
»Ich bin enttäuscht. Vielleicht hätte ich Sie nicht vorwarnen und sofort über Sie herfallen sollen. Noch besteht die Möglichkeit. Tun Sie sich keinen Zwang an und stehen Sie auf.«
Doch Katey blieb wie versteinert sitzen.
Boyds Kiefer begann zu mahlen. Dabei war er sich nicht mal sicher, ob seine Wut sich selbst oder ihr galt. In diesem Fall waren die allgemein üblichen Regeln des Anstands außer Kraft gesetzt – immerhin hatte er es mit einer Kriminellen zu tun. Es wunderte ihn selbst, dass er es nicht übers Herz brachte, die Situation zu seinem Vorteil zu nutzen – egal, wie hübsch sie war, egal, wie tief sein Verlangen für sie brannte.
Er musterte sie einen Augenblick. Sie trug ein schlichtes hellblaues Kleid mit langen Ärmeln und hoch geschlossenem Kragen, das, sah man einmal von den Rundungen ihres Körpers ab, die sich darunter abzeichneten, nicht sonderlich apart war. Das lange schwarze Haar hing ihr zu einem dicken Zopf geflochten über den Rücken. Genau wie damals bei der Atlantiküberquerung hatte sie das Ende des Zopfs unter ihren Gürtel gesteckt, damit er ihr nicht in die Quere kam. Anfangs hatte er angenommen, sie täte es wegen des peitschenden Windes auf hoher See, aber eines Abends, im Rahmen eines Abendessens, das sie mit ihm und seinem Kapitän eingenommen hatte, hatte sie ihn eines Besseren belehrt und erklärt, dass sie das lediglich tat, damit sie sich nicht darauf setzte. Seither fragte er sich, wieso sie sich das Haar nicht wie die meisten anderen Frauen hochsteckte? Doch im Grunde kannte er die Antwort. Weil sie anders war als die übrigen Weiber!
Um nicht von ihren gottgegebenen Rundungen abgelenkt zu werden, stellte er sich hinter sie. Aber auch das half nicht. Wieso, zum Teufel, hatte er sie ins Nachbarzimmer geschleppt und nicht direkt dem Wachtmeister ausgeliefert? Mit ihr in einem Zimmer konnte er keinen einzigen klaren Gedanken fassen. Bei der Vorstellung, Katey Tyler säße in einer Gefängniszelle, war ihm jedoch, als greife eine eisige Hand nach seinem Herzen.
Was, wenn er sie auf sein Schiff brachte und außer Landes schaffte? Aber was dann? Sollte er sich ein, zwei Wochen mit ihr vergnügen und sie dann in einem Hafen irgendwo auf der Welt ihrem Schicksal überlassen? Damit sie wieder Kinder verschleppte? Als er in Gedanken Roslynn Malory vor sich sah, wie sie sich die Augen aus dem Kopf weinte, weil die Sorge um ihre Tochter sie zu zerreißen drohte, wusste er, dass das keine Lösung war.
Aber was, zum Teufel, sollte er tun? Tief in
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