Malory 09 - Der geheimnisvolle Verführer
Tages und die Hälfte der Nacht damit verbracht, fieberhaft nach ihr und ihrer Unterkunft zu suchen, allerdings ohne Erfolg. Das war letzten Endes auch der Grund dafür, warum er an diesem Morgen noch im Bett gelegen hatte.
Aber sie hatte ihn gefunden – und war ohne Umschweife auf den Grund ihres Besuches zu sprechen gekommen. Keine herzliche Begrüßung – und das, nachdem sie einen angenehmen Tag auf Haverston verbracht hatten und er neue Hoffnung geschöpft hatte, sie könnte den unerfreulichen Zwischenfall von Northampton überwunden haben. Nichtsdestotrotz hatte sie sich am zweiten Abend wieder steif wie eh und je gegeben. Wenngleich sie nicht gegen ihn gewettert hatte, war es dennoch ein deutliches Zeichen dafür, dass sie ihm nicht vergeben hatte.
»Sie haben selbst gesagt, ich hätte noch etwas bei Ihnen gut«, sagte sie und sah ihn fest mit ihren smaragdgrünen Augen an. »Wie es der Zufall will, benötige ich ein Schiff. Wären Sie gewillt, mir das Ihre zu vermieten?«
»Vermieten?« Er wollte lauthals loslachen, doch sie fuhr ihm so schnell in die Parade, dass es klang, als verschlucke er sich. Am Ende fragte er: »Warum?«
»Ich habe diverse Reisen geplant, deshalb. Wie Sie wissen, möchte ich die Welt sehen. Da ziehe ich es vor, mich nicht nach den Fahrplänen der Redereien richten zu müssen. Das ist im Übrigen auch der Grund, warum ich heute Morgen mein Schiff verpasst habe.«
Ihr Geständnis, dass das Schiff ohne sie ausgelaufen sei, trieb ihr eine leichte Röte ins Gesicht. Er war daran gewöhnt – und wie vorteilhaft es sich auswirkte auf ihre …
»Gibt es denn keine weiteren Schiffe, die heute auslaufen?«
Ungläubig starrte er seinen Schwager an, dem er für diese Frage am liebsten die Zunge herausgeschnitten hätte. Hier bot sich eine unglaubliche Gelegenheit, und James war dabei, alles zu ruinieren. Aber das war unfair. James führte lediglich fort, was er selbst in Gang gesetzt hatte. Statt ihrem Wunsch stattzugeben, die Oceanus zu mieten, und ihr zu erlauben, sie so lange zu behalten, wie sie wollte, hatte er sie nach ihrem Grund dafür befragt.
Wach auf! Sie hat dir einen Rettungsring zugeworfen, den du nicht ausschlagen kannst. Wehe, du vermasselst es jetzt durch deine Fragen!
»Augenscheinlich gab es einen Sturm in der Region, bei dem eine Reihe von Schiffen Schaden genommen haben«, sagte Katey, an James gewandt.
»Sie hat recht«, fügte Boyd hinzu. »Eins von unseren Skylark-Schiffen hat sich kürzlich sturmgebeutelt in den Hafen geschleppt. Der Großteil der Fadung ging dabei verloren und die Reparaturen sind noch nicht abgeschlossen. Bei so vielen leckgeschlagenen Schiffen im Hafen dauert es länger als gewöhnlich, sie wieder herzurichten.«
Katey fuhr fort: »Bereits letzte Woche musste ich wegen des Sturms meine Reise verschieben. Wenn es nach mir gegangen wäre, wäre ich schon längst fort. Aber jetzt …« Sie mahlte mit den Zähnen, ehe sie sagte: »Acht Tage! Acht weitere Tage, so hat man mir gesagt, es sei denn, es gäbe in der Zwischenzeit eine Stornierung, was aber nicht sehr wahrscheinlich sei, weil die vielen Besucher vom Kontinent darauf erpicht sind, nach Hause zurückzukehren, ehe das Wetter umschlägt.«
Die Enttäuschung über die Verzögerung war Katey deutlich anzumerken, nicht zuletzt an ihrem Gesichtsausdruck und ihrem Tonfall. So war sie auf sein Hilfsangebot zu sprechen gekommen. Durchaus verständlich. Boyd entschied, die Gelegenheit beim Schopf zu packen. Eine solche Chance bot sich schließlich nicht alle Tage.
»Einverstanden, ich vermiete Ihnen die Oceanus«, sagte er.
»Einfach so?«
»Ja.«
Das überraschte sie. Und Georgina. Bei James hingegen wusste man nie so genau, was in ihm vorging, aber immerhin ließ er sich nicht zu einem Kommentar hinreißen. Hatte Katey wirklich gedacht, es würde zu einer hitzigen Diskussion kommen? Doch dann nahm sie Boyd den Wind aus den Segeln.
»Ich möchte nicht, dass Ihnen dadurch Unannehmlichkeiten entstehen«, fügte sie hinzu. »Sie müssen nicht mitkommen, dazu gibt es keine Veranlassung.«
Boyd nahm sich vor, keinen Millimeter von seinem Standpunkt abzuweichen. Als er ihr sagte, das käme überhaupt nicht infrage, war es sein voller Ernst. Und jetzt fochten die beiden einen stillen Kampf aus, wer den anderen zuerst mit Blicken bezwang. Ein Duell, das nun schon so lange andauerte, dass den beiden anderen Anwesenden unbehaglich zumute wurde. Boyd konnte in Kateys Augen lesen, dass sie nicht
Weitere Kostenlose Bücher