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Malory

Malory

Titel: Malory Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: 04. Wer die Sehnsucht nicht kennt
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reizen, auf die er normalerweise sofort zu reagieren pflegte. Doch James hörte gar nicht zu und murmelte nur gelegentlich Sätze vor sich hin wie: »Verfluchte Hölle« und »Ich werde sie nie mehr anrühren«, einmal sogar »Lieber Gott, bitte« und ein anderes Mal, an Anthony gewandt: »Jag mir eine Kugel durch den Kopf!«
    Warren hatte es einst gewollt. Und wollte es immer noch.
    Aber Anthony hatte nur gelacht und gesagt: »Hab’ mich genauso elend gefühlt, altes Haus. Aber glaube mir, sowas vergißt man schnell. Kannst dich drauf verlassen!«
    Drei weitere Malorys waren erschienen, kurz nachdem Warren seine Schwester auf ihr Zimmer getragen hatte. Der ältere Bruder Edward war mit seiner Frau Charlotte gekommen, die gleich nach oben verschwunden und seither nicht mehr aufgetaucht war. Außerdem eine weitere Nichte, Regina Eden, die ebenfalls hinaufgeeilt war, aber gelegentlich erschien, um ihrem Onkel James zu versichern, daß alles normal verlief und daß Georgina sich tapfer hielt. Als sie das letztemal heruntergekommen war, hatte sie scherzend hinzugefügt: »Aber ich sage dir lieber nicht, was sie im Augenblick von dir denkt.«
    Edward hatte mit seiner Tochter Amy eine Zeitlang Karten gespielt, jetzt aber spielte er allein und ignorierte die ange-spannte Atmosphäre im Raum. Er hatte das alles schon viel zu oft erlebt, um sich davon aus der Ruhe bringen zu lassen. Amy lag zusammengerollt in einem großen Polstersessel und schlief seelenruhig, das Kinn auf eine Hand gestützt. Sie hatte für einen kleinen Mitternachtsimbiß gesorgt, doch alle hatten nur lustlos im Essen herumgestochert, manche sogar gar nichts davon angerührt.
    Im Vorbeigehen warf Warren einen Blick auf sie. Ein hübsches Ding, diese Amy, dachte er; genauer betrachtet, eine richtige Schönheit. Jedesmal, wenn seine Augen den ihren begegnet waren, hatte sie rasch den Blick gesenkt, als hätte sie ihn beobachtet. Zu dumm, daß sie eine Malory war – aber was zum Teufel dachte er da? Sie war viel zu jung für ihn, mehr etwas nach Drews Geschmack, und sie würde ihn sicher nehmen, wenn ihre Onkel es zuließen.
    Viertel nach vier.
    Sosehr Warren auch Kinder liebte, so etwas wollte er nie wieder erleben. Nicht, daß er jemals heiraten und eigene Kinder haben wollte. Frauen waren die hinterhältigsten Geschöpfe auf Erden. Ihnen war nicht zu trauen. Keiner. Und würde er nicht gelegentlich ein Verlangen nach ihnen verspüren, so könnte er ganz auf sie verzichten.
    Seine Schwester war die einzige Ausnahme, die einzige Frau, die ihm etwas bedeutete, und wenn ihr etwas zustieße ...
    Später war noch ein weiterer Malory aufgetaucht, James’
    Sohn Jeremy. Er war völlig außer sich, fast euphorisch, als er die Neuigkeit erfuhr, und zu jung, um an die möglichen Kom-plikationen und Risiken zu denken, und daß es keinen Grund zum Jubel gab, bis Mutter und Kind die Geburt heil überstanden hatten. Das jämmerliche Bild aber, das sein Vater bot, hatte ihn sofort ernüchtert, und er war mit dem Versprechen »Ich hole Connie« schnell wieder entschwunden – und ward nicht mehr gesehen. Für einen Jungen seines überschwenglichen Temperaments war der Salon nun wirklich ein zu trister Ort.
    Warren wußte, daß es sich bei Connie um keine Frau, sondern um einen Mann handelte, der, wie er gehört hatte, James Malorys bester Freund war – und auch er ein ehemaliger Pirat.
    Er war Conrad Sharpe in Anthonys Haus begegnet an jenem denkwürdigen Abend, als James und er um Georginas willen das Kriegsbeil begraben hatten.
    Halb fünf.
    Dann plötzlich stürmte Regina herein, gefolgt von Drew und Thomas, denen sie in ihrem Eifer, Onkel James die Nachricht zu bringen, noch kein Wort gesagt hatte. Aber das Lächeln auf ihrem Gesicht verriet, daß sie jetzt alle aufatmen konnten. Der Jubel, der ertönte, weckte Amy und rüttelte sogar Boyd aus seiner Trunkenheit. James jedoch hielt den Atem an, er brauchte mehr als dieses verheißungsvolle Lächeln.
    Regina, die ihn vollkommen verstand, eilte auf ihn zu, schlang die Arme um seinen Hals und sagte: »Du hast eine Tochter, und der Mutter geht es gut. Beiden geht es gut.« Als James sie in seiner Aufregung allzu fest an sich drückte, stieß sie einen kleinen, erstickten Schrei aus.
    Er ließ sie lachend los und rief, zu Anthony gewandt: »Wo bleibt jetzt dieser verdammte Brandy?«
    Der war noch immer in Anthonys Hand. Er reichte dem frischgebackenen Vater das Glas, der es in einem Zug leerte, bevor er auch seinen

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