Malory
Bruder umarmte. Der konnte es aushalten, wenn auch nur gerade eben.
»Großer Gott, James«, seufzte Anthony schließlich, bevor er trocken hinzufügte: »Beruhige dich erst einmal, bevor du zu George raufgehst. Und fang bloß nicht an zu heulen, so wie ich. Wir müssen uns ja nicht beide blamieren.«
Wieder lachte James und schlug seinem Bruder auf die Schulter. Er war so glücklich, daß Warren es kaum ertragen konnte. Warren hatte diesen Mann noch nie so gesehen und wollte es auch nicht. Aber in diesem kurzen Augenblick, als sie die gleiche Erleichterung fühlten, war nicht die geringste Feindseligkeit zwischen ihnen.
Als James sich umdrehte und ihn bemerkte, sagte Warren:
»Untersteh dich!« und spielte damit auf James’ gegenwärtige Manie an, jeden zu umarmen. Aber er sagte es mit einem Schmunzeln, jetzt, da er wußte, daß Mutter und Kind wohlauf waren. Und James schmunzelte zurück und schüttelte ihm die Hand.
Es folgten weitere Glückwünsche, weiteres Umarmen und Schulterklopfen. James wollte schließlich Reißaus nehmen und seine Frau sehen, Regina aber bat ihn, er solle noch ein Weilchen warten, denn Georgina sei sogleich eingeschlafen, und Charlotte und der Doktor seien mit dem Baby beschäftigt.
Schließlich erschien Roslynn, erschöpft, aber glücklich, schmiegte sich in die Arme ihres Mannes und sagte zu James:
»Sie ist einfach süß, eine echte Malory. Und du kannst sicher sein, daß sie nicht wie Tony aussieht.« Woraus die meisten der Anwesenden schlossen, daß die jüngste Malory ein Blond-schopf war.
James, der jetzt wieder seine fünf Sinne beisammen hatte, meinte: »Zu dumm. Ich hätte George so gut damit aufziehen können.«
»Um ihr einen weiteren Grund zu geben, mich nicht in ihrem Haus zu dulden.«
»Dazu brauche ich ihr keinen Grund zu geben. Dafür sorgst du schon selbst.«
»Er wird wieder normal, Ros«, meinte Anthony. »Ich glaube, wir können gehen.«
Doch in diesem Augenblick erschien Charlotte mit einem Bündel, das sie James in die Arme legte. Schweigen folgte, doch James nahm es gar nicht zur Kenntnis, während er seine Tochter zum erstenmal betrachtete. In seinen Augen stand ein Ausdruck von so überströmender Liebe, daß alle im Raum gerührt waren.
Sie scharten sich um den stolzen Vater, der nach einer Weile gern bereit war, jedem das Bündel einmal in den Arm zu legen.
Anthony, der sich an ein unlängst mit seinem Bruder geführtes Gespräch erinnerte, fragte ihn schließlich: »Und wie willst du dieses kleine Juwel nennen?«
Er dachte, er hätte James von seiner verrückten Drohung abbringen können, der aber starrte erst ihn und dann die Anderson-Brüder an, bevor er laut und deutlich verkündete: »Jack.«
Natürlich brach sofort Protest aus, zum Teil sogar ziemlich energischer. James aber hielt ihm stand und erklärte: »Nehmt bitte zur Kenntnis, wessen Tochter sie ist und wer das Recht hat, ihr einen Namen zu geben.«
Damit war die Frage geklärt. Der jüngste Malory-Sprößling, wenngleich ein Mädchen, würde Jack Malory heißen, obwohl im Taufregister natürlich der Name Jacqueline vermerkt sein würde.
Kapitel 7
»Wo hast du dich denn gestern nacht herumgetrieben, Jeremy?« wollte Amy wissen, als ihr Cousin im Frühstückszimmer erschien.
Obwohl es schon zwei Uhr nachmittags war, wurde erst jetzt das Frühstück serviert, denn nach den turbulenten Ereig-nissen der Nacht hatten sie alle erst einmal richtig ausschlafen wollen.
»Hatte nicht damit gerechnet, dich schon so bald hier wiederzusehen«, erwiderte Jeremy, um ihrer Frage auszuweichen.
»Ich war gar nicht erst fort«, sagte sie und schenkte ihm Kaffee ein. Dann hielt sie inne und fragte: »Oder wolltest du lieber Tee?«
»Nein, nein, ich nehme, was da ist. Ich bin nicht wählerisch.
Aber was meintest du damit: Du warst gar nicht erst fort?
Warst du etwa noch gar nicht im Bett?«
Da sie ein anderes Kleid trug als am Vorabend, so rosafarben wie ihr Teint, war seine Verwirrung verständlich.
»Ich habe Tante Georgina versprochen, so lange hier zu wohnen und mich um den Haushalt zu kümmern, bis sie sich von der Geburt erholt hat. Nachdem eure Haushälterin letzten Monat gekündigt hat und die neue sich nicht gerade bezahlt gemacht hat und schon nach zwei Wochen vor die Tür gesetzt wurde, muß ja irgend jemand die Sache in die Hand nehmen.
Oder wolltest du dich freiwillig zur Verfügung stellen?«
»Ganz bestimmt nicht«, rief er. »Aber bist du nicht ein biß-
chen jung?«
»Wo
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