Malory
was zwei bis vier Jahre dauerte, je nach Laune der herrschenden Kriegsher-ren. Doch die Skylark-Schiffe würden nicht mehr nach China in See stechen, nicht mehr, nachdem der mächtige Lord Zhang Yat-sen eine Wette verloren hatte und auf Blut aus sein würde, wenn ihm je wieder einer der Andersons begegnete. Zhang hatte damals in Kanton seine Mörderbanden nach Warren und Clinton ausgesandt und ihre Köpfe gefordert und dazu seine kostbare antike Vase, die Warren bei jener verhängnisvollen Wette gewonnen hatte. Wäre Warren in jener Nacht nicht so hoffnungslos betrunken gewesen, wäre ihm nie in den Sinn gekommen, sein Schiff gegen diese unbezahlbare Vase aufs Spiel zu setzen. Aber da er sie nun einmal gewonnen hatte, wollte er sie, verdammt noch mal, auch behalten.
Dieser Meinung war auch Clinton gewesen, der die Vase sogar noch mehr begehrt hatte als sein Bruder. Ihr Besitz aber hatte ihrem Handel mit China ein abruptes Ende bereitet. Man konnte einen Mann wie Zhang, der mit uneingeschränkter Macht über sein kleines Königreich herrschte, nicht ungestraft erzürnen und dann auch noch damit prahlen. Zhang wollte ihre Köpfe auf einem Tablett serviert bekommen. Ein Befehl, der durchaus ernst gemeint war. Aber dank der rechtzeitigen Hilfe ihrer Schiffsbesatzung blieb der Angriff von Zhangs Männern im Hafen erfolglos.
Warten vermißte diese Chinafahrten nicht, denn er war der endlosen Reisen überdrüssig geworden. Wäre er mehr zu Hause gewesen, hätte er Georgina vielleicht daran hindern können, ihrem Verlobten nach England zu folgen. – Die Erinnerung an seinen Todfeind im fernen China vermochte seine Gedanken indes nicht lange von seiner Schwester abzulenken.
Vier Uhr morgens.
Wie lange konnte das noch dauern? Irgend jemand, wahrscheinlich diese kleine Amy, hatte gesagt, daß Georginas Wehen schon am vergangenen Morgen um zehn Uhr eingesetzt hatten, sie es ihrem Mann aber verschwiegen hatte, weil sie ihn nicht ängstigen wollte. Deshalb war er ausgegangen und hatte es erst am Nachmittag erfahren, kurz bevor sie alle angekommen waren. Achtzehn Stunden! Wieso konnte das nur so lange dauern? Da konnte doch irgend etwas nicht stimmen, auch wenn der Doktor mehrfach beteuert hatte, daß alles normal verlief.
Warren ging weiter auf und ab. James Malory ging auf und ab. Und wenn sich ihre Wege kreuzten – denn sie liefen in entgegengesetzter Richtung –, wichen beide kaum zur Seite, ja nahmen sie einander kaum wahr.
Drew lief in der Eingangshalle auf und ab, da er und Warren sich, wie so oft, auf die Nerven gegangen waren. Clinton hatte sich hingesetzt, spielte aber nervös mit den Fingern und trommelte damit mal auf den Knien, mal auf den Armlehnen seines Sessels. Er war bei der Geburt seiner beiden Kinder ebenfalls auf hoher See gewesen, und so war diese Situation auch für ihn völlig neu. Trotzdem hielt er sich weit tapferer als die übrigen, ausgenommen Thomas.
Boyd lag völlig apathisch auf dem Sofa. Er hatte allein eine ganze Flasche Brandy ausgetrunken, einen weit stärkeren, als er ihn von zu Hause gewohnt war. Warren hatte davon probiert und hätte sich am liebsten auch betrunken, doch er stellte sein Glas immer wieder ab und vergaß es dann ganz.
Thomas war oben und schritt den Flur vor Georginas Zimmer auf und ab, denn er wollte der erste sein, der erfuhr, daß es endlich überstanden war. Auch Warren hatte sich anfangs oben aufgehalten, doch schon beim ersten Stöhnen, das durch die Tür drang, war er in Schweiß ausgebrochen, und so hatte ihn Thomas rasch nach unten geführt.
Fünf Stunden waren seither vergangen. Seine Schwester mußte Höllenqualen leiden, und schuld daran war James Malory. Warren machte einen Schritt auf seinen Schwager zu, besann sich dann aber eines anderen, als er bemerkte, daß Anthony Malory ihn fixierte und seine schwarze aristokrati-sche Braue sich belustigt fragend hob. Sein Versprechen. Er durfte dieses verfluchte Versprechen nicht vergessen.
Anthony, der die ganze Nacht lässig am Kamin gelehnt hatte, wenn er nicht gerade in einem Sessel saß, beobachtete nur das Geschehen, so schien es wenigstens. Er hielt ein Glas Brandy in der Hand, den er jedoch nicht trank, sondern dem werdenden Vater einzuflößen versuchte. Ohne Erfolg. James hatte ihm schon vor Stunden klipp und klar erklärt, daß er keinen »verdammten« Brandy wolle, und dabei war er geblieben.
Anthony hatte sich bemüht, seinen Bruder in ein Gespräch zu verwickeln, ihn mit kleinen Spötteleien zu
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