Malory
konnte, daß ihm der Schnitt seines Anzugs nicht gefiel.
Gut, er konnte einen Augenblick erübrigen. Wenn ihre beiden Onkel da waren, könnte Amy nichts anstellen.
Doch es war ganz eindeutig nicht der Schnitt seines Anzugs, der James interessierte, als sie ein leeres Billardzimmer betraten. Kaum war die Tür ins Schloß gefallen, da wurde Warren schon an die Wand gedrückt. Anthony lehnte sich gegen die Tür, um jede Fluchtmöglichkeit zu vereiteln, während James Warrens Handgelenke umklammert hielt.
»Du hast eine Sekunde Zeit, um mich zu überzeugen, daß du nichts mit meiner Nichte im Sinn hast.«
Normalerweise hätte Warren nichts gesagt, sondern einfach um sich geschlagen. Doch das war der Mann seiner Schwester.
Und außerdem ein Mann, gegen den er im Kampf nicht die geringste Chance hatte – noch nicht. Der Grund aber, der James so in Rage brachte, war so grotesk, daß Warren fast lachen mußte.
Gott, es war unglaublich! Die Kleine rannte hinter ihm her.
Und er sollte sich dafür verantworten. Den Teufel würde er tun.
»Ich habe nichts mit ihr im Sinn«, sagte er mit Nachdruck.
»Und wie kommt es, daß ich dir nicht glaube?« entgegnete James.
»Ist es etwa verboten, mit ihr zu tanzen?«
»Nein, wohl aber, sie so anzuschauen, wie du es getan hast«, sagte James.
Warren stöhnte leise. Nun, sie hatte ihm klarzumachen versucht, daß man es bemerken könnte. Mußten es aber gerade diese beiden sein?
Er versuchte es mit einer plausiblen Erklärung. »Mir geht vieles im Kopf herum, Malory. Die Art, wie ich die Leute anschaue, hat oft gar nichts mit ihnen selbst zu tun.«
Das mochte zwar stimmen, aber nicht in diesem speziellen Fall. Die beiden vermittelten ihm das Gefühl, wie ein grüner Junge mit heruntergelassenen Hosen ertappt worden zu sein.
Dabei hatte er nur versucht, sich das Mädchen vom Halse zu halten. Und öfter an sie gedacht, als er sollte. Und sie beinahe mitten auf einer Landstraße geliebt.
»Tut mir leid, James«, sagte Anthony. »Aber möglich ist es.«
»Bei dem Kerl schon, da hast du recht«, entgegnete James, obwohl er immer noch skeptisch genug war, zu fragen: »Du fühlst dich also von ihr kein bißchen angezogen?«
»Das habe ich nicht behauptet«, hörte Warren sich sagen, als wollte er sie verteidigen.
»Falsche Antwort, Yankee!«
Und wieder wurde Warren an die Wand gestoßen. Diesmal schlug er mit dem Kopf dagegen, was ihn fast die Beherrschung verlieren ließ.
»Soll ich etwa leugnen, daß sie eine Schönheit ist?« knurrte er. »Ich müßte blind sein, um es nicht zu bemerken. Jetzt laß mich endlich los!«
Die Hände ließen ihn zwar immer noch nicht los, aber James’ Tonfall war schon sehr viel milder geworden, als er sagte: »Eigentlich dürftest du es gar nicht bemerken, weil sie nämlich viel zu jung für dich ist.«
Das mußte Warren zwar zugeben, aber weil James es gesagt hatte, entgegnete er: »Das mußt gerade du sagen. Georgie war nur wenige Jahre älter als Amy, als du ihr begegnet bist, und du bist älter als ich.«
Der Altersunterschied zwischen Amy und Georgina betrug vier Jahre, und James war nur ein Jahr älter als Warren, deshalb ließ keiner der beiden Malory-Brüder diesen Vergleich gelten.
»Vielleicht würde ihm eine kleine Veränderung seines Seh-vermögens nicht schaden«, schlug Anthony vor. »Ein leichter Schleier vor den Augen zum Beispiel, damit er die Dinge, die ihn nichts angehen, nicht so genau sehen kann. Ich übernehme das liebend gern, Bruderherz, falls du Angst vor Georgies Zorn hast.«
Jetzt platzte Warren der Kragen. »Das ist absurd!« explodierte er. »Ich habe euch doch gesagt, daß ich nichts mit dem Mädchen im Sinn habe. Aber wenn ihr ihre sogenannte Tugend beschützen wollt, dann solltet ihr sie besser hinter Schloß und Riegel halten. Vielleicht habe ich dann endlich meine Ruhe.«
»Was zum Teufel soll das heißen?« fragte James.
»Daß sich eure Nichte mir bei jeder verdammten Gelegenheit an den Hals wirft.«
»Warte!« keuchte Anthony. »Laß mich ein bißchen über den Witz lachen, bevor du ihn umbringst.«
James war nicht so belustigt wie sein Bruder. »Glaubst du, daß so eine hirnverbrannte Ausrede bei uns zieht, Yankee?
Oder hast du dich der Illusion hingegeben, daß der Charme und Liebreiz eines süßen Mädchens etwas anderes zu bedeuten hat als Freundlichkeit?«
Warren seufzte. Er hätte das wirklich nicht sagen sollen.
Zum Teufel mit seinem Temperament! Und es war auch fast wie ein Betrug an
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