Malory
Sachlage richtiggestellt?«
»Noch nicht«, murmelte Christopher so leise, daß er sich selbst kaum hörte.
Walter jedenfalls verstand nichts. Anstatt dies als Hinweis dafür zu nehmen, daß Christopher ihm darauf keine Antwort geben wollte, fragte er noch einmal nach. »Was hast du gesagt?«
»Ich sagte, noch nicht!«
Obwohl er ihm die Antwort entgegenschleuderte, hielt es Walter nicht von seiner nächsten Frage ab.
»Warum noch nicht?«
»Verdammt noch mal, wenn ich das wüßte«, knurrte Christopher.
David und Walter tauschten vielsagende Blicke. David aber faßte ihre Gedanken in Worte. »Dann sollten wir vielleicht hoffen, daß deine ›Frau‹ und Sir Williams Nichte ein und dieselbe Person ist. Vielleicht gibt es irgendeinen merkwürdigen Grund dafür. Ich würde den Siddons morgen einen Besuch abstatten, das wür-de ich wirklich tun, wenn ich an deiner Stelle wäre, Kit. Spiele den angenehm Überraschten.«
Würde er das sein? Christopher war sich da nicht so sicher. Aber er hatte den Besuch bereits beschlossen.
Kapitel Dreiundzwanzig
C hristopher rechnete nicht mit einer Überraschung, als er in den Salon geführt wurde, in dem Lady Siddons
›Gast‹ hofhielt. Sir Williams Nichte mochte eine hinreißende Schönheit sein, aber sie würde nicht die Anastasia sein, die er suchte.
Wenn er noch einmal recht darüber nachdachte, so glaubte er nicht, daß die Gleichheit der Namen reiner Zufall war. Das wäre zu weit hergeholt. Wahrscheinlicher war, daß seine Anastasia ihm ihren wahren Namen verschwiegen hatte. Vermutlich war ihr zufällig einmal Sir Wilhams Nichte begegnet, wobei sie an ihrem Namen Gefallen gefunden und beschlossen hatte, ihn für sich zu verwenden.
Trotz allem wollte er sich vergewissern und die letzte Unsicherheit über die Identität der beiden Anastasias aus dem Wege räumen. So kam es zu seinem Besuch am frühen Morgen im Haus der alten Lady Siddons.
Da er nicht eine Sekunde damit gerechnet hatte, traf ihn die Überraschung, Anastasia vor sich zu sehen, wie ein Schock.
Sie wurde von sieben Männern umringt, die um ihre Aufmerksamkeit wetteiferten. Der weitfallende, sich an ihren Oberkörper anschmiegende Morgenrock mit Samt- und Spitzenbesatz hätte einer Königin Ehre gemacht. Das wilde Haar war zu einer modischen Frisur gebändigt. Schwarze Spitzen und dunkelblauer Satin unterstrichen das leuchtende Kobaltblau ihrer Augen.
In seiner anfänglichen Verblüffung dachte Christopher tatsächlich, daß zwischen den beiden Frauen nur eine Ähnlichkeit bestehe. Sie sah wie eine englische Lady aus und nicht wie die Zigeunerin, die er kannte. Aber nur für den ersten Moment ...
Ihre Blicke trafen sich quer durch den Salon. Sie blieb regungslos sehen. Dann errötete sie und senkte die Li-der, als ob sie sich für etwas schämen müßte. Aber das traf ja zu, oder? Sich als eine Lady zu verkleiden. Sich auf dem Heiratsmarkt anzubieten, wenn sie bereits verheiratet war ...
Die Eifersucht verdrängte seine Freude über das Wiedersehen. Er merkte es, aber dieses häßliche Gefühl war zu mächtig, um unterdrückt zu werden, und ver-giftete jeden seiner Gedanken. Sogar Adam Sheffield war hier. Anscheinend war es ihm an diesem Vormittag mühelos gelungen, durch die Vordertür eingelassen zu werden. Hingerissen starrte er Anastasia an. Auch sein Freund, der kürzlich lauthals verkündet hatte, er würde ihr sogar selbst den Hof machen, stand voller Anbetung vor ihr.
Christopher verspürte den unwiderstehlichen Drang, zu ihnen zu gehen und ihre Köpfe zusammenzuschla-gen, die Köpfe sämtlicher Verehrer, so wie sie dastan-den. Wie konnten die Kerle es wagen, um seine Ehefrau herumzuscharwenzeln und lüsternen Gedanken nachzuhängen? Daß sie lüstern waren, setzte er voraus.
Die Bemerkung von gestern abend, sie sei eine Mischung aus einer Madonna und einer Verführerin, paßte nur annähernd. Anastasia verströmte erotisches Versprechen und schien doch unnahbar zu sein. Beides zusammen weckte Begehren in einem Mann, verlangte von ihm aber auch Zurückhaltung. Aussichten auf die Erfüllung seiner Wünsche blieben allein seiner Einbildungskraft vorbehalten.
Diejenigen, die nur ihren Phantasien nachhingen, würde er weitgehend verschonen. Die anderen aber, die darüber hinaus auch noch ernste Absichten hegten, würde er genüßlich Stück für Stück auseinanderneh-men ...
»Ich bin überrascht, Sie hier anzutreffen, Lord Malory«, sagte jemand neben ihm.
Er hatte nicht bemerkt, daß die
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