Malory
bekommen?«, fragte Amy.
»Ja, gleich gegenüber.«
»Hervorragend«, lobte Amy und fügte, an Jeremy gewandt, hinzu: »Dann sehen wir euch morgen früh. Wir können zusammen in die Stadt zurückfahren. Und ich möchte alles hören, was während meiner Abwesenheit geschehen ist.«
Bevor seiner Frau noch mehr einfiel, das sie hätte sagen können, zog Warren sie auf den Gang hinaus und schloss die Tür.
Jeremy setzte sich zu Danny aufs Bett. »Alles in Ordnung mit dir?«, erkundigte er sich behutsam.
»Warum sollte es nicht?«
»Na ja, ich nehme an, du bist nicht daran gewöhnt, beim Ausrauben auf dieser Seite zu stehen. Nicht besonders angenehm, oder?«
»Hör auf, mich für etwas zu verurteilen, wozu ich all die Jahre gezwungen war. Ich habe niemals gern gestohlen; ich habe es gehasst.«
»Aber getan hast du es trotzdem.«
»Ich komme aus den Armenvierteln, Mann. Ist dir klar, wie wenig Auswahl Frauen haben, die nicht lesen und schreiben, ja nicht einmal richtig sprechen können?«
»Ich verstehe, warum du so eine Abneigung gegen jenes Wort hast.« Jeremy vermied sorgfältig, es auszusprechen.
»Tja, so enden eben die meisten irgendwann – entweder sie huren, oder sie stehlen.«
Jeremy legte Danny den Arm um die Schultern. »Das ist es aber nicht, worüber du dich gerade geärgert hast.
Gib es zu. Als du selbst das Opfer warst, hast du begriffen, wie sich alle deine Opfer gefühlt haben müssen.«
Danny verdrehte die Augen. »Weit gefehlt, Mann.
Außerdem sind wir nicht ausgeraubt worden, und es wäre auch nicht passiert. Ich war wach. Ich hätte gehört, wie der Stümper im Zimmer herumschlich, wenn ich nicht zuerst das Klopfen an der Tür bemerkt hätte. Oder ich hätte ihn gerochen. Er stank nach Rum, falls es dir nicht aufgefallen ist. Er war zum Scheitern verurteilt. Ein guter Dieb klaut nicht, wenn er besoffen ist.«
»Also schön, ich höre auf zu raten.« Jeremy seufzte.
»Warum bist du sauer?«
»Ich bin nicht sauer. Als ich dir zugehört habe, ist mir nur klar geworden, dass es für uns beide keine Definition gibt. Du hast mich eine Freundin genannt, aber bevor du es gesagt hast, hast du eine Pause gemacht. Also stimmt das mit der Freundin eigentlich nicht, oder?«
»Doch, wenn du dir überlegst, was dieses Wort bedeutet. Was ist eine Freundin, wenn nicht jemand, dem man sich nahe fühlt, mit dem man gern zusammen ist, dem man sich anvertrauen und mit dem man seine Freuden teilen kann?« Jeremy grinste unverschämt. »Natürlich nicht die Art von Freuden, die wir miteinander teilen, aber du weißt, was ich meine. Die besten Freunde sind wir freilich nicht – noch nicht. Aber viel fehlt dazu nicht mehr.«
Überrascht fragte Danny: »Du nimmst mich doch nicht auf den Arm, oder?«
Jeremy stieß sie aufs Bett zurück, sodass er sich über sie beugen konnte. »Über uns werde ich niemals Witze machen, Danny. Anvertraut habe ich dir bisher allerdings nicht viel, außer Dingen, die du von jedem hättest hö-
ren können. Hier also eine kleine Kostprobe. Amy ist meine beste Freundin, und du wirst ziemlich viel von ihr zu Gesicht bekommen, da sie mich häufig besucht –
wenn Warren sie nicht gerade nach Amerika schleift.
Ich wünsche mir, dass du sie besser kennen lernst. Du wirst sie mögen, oder vielmehr, du wirst gar nicht anders können, als sie zu mögen. Sie ist ein Schatz. Nur wetten solltest du nie mit ihr, egal worüber.«
»Warum nicht?«
»Weil sie nie verliert.«
»Hat sie so viel Glück?«
»Nein, sie ist so begabt. Das sind diese ›Gefühle‹, die sie hat. Sie irrt sich nie. Ich habe dich also gewarnt.
Wenn sie mit dir über irgendetwas wetten will, ergreifst du am besten die Flucht.«
Kapitel 42
eremy hatte Recht gehabt, was Amy Anderson betraf.
J Man musste sie einfach gern haben. Sie war tempera-mentvoll, erfrischend offen, witzig und konnte endlos quasseln, ohne Punkt und Komma. Auf der Rückfahrt nach London saß Danny neben ihr in der Kutsche, die Jeremy lenkte, während Warren auf seinem Pferd nebenher ritt. Irgendwie war es Amy gelungen, Danny ihre gesamte Lebensgeschichte zu entlocken, zumindest alles, woran sie sich erinnern konnte, einschließlich ihrer Ziele. Verwun-dert war Amy kein bisschen gewesen, lediglich interessiert. Allerdings warf sie dem Rücken ihres Cousins einige Blicke zu, sodass Danny sich unwillkürlich fragte, ob Jeremy wohl zuhörte. Sie bezweifelte dies jedoch, da er sich überhaupt nicht an ihrem Gespräch beteiligte.
Als sie sich
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