Malory
sie auf der Seite, die weniger Türen hatte, denn sie vermutete, dass dahinter die größeren Räume lagen, vor allem das Schlafzimmer des Hausherrn.
Sie hatte Recht. Die zweite Tür, die sie öffnete, war die richtige. Das verriet ihr die schiere Größe des Zimmers ebenso wie die unförmige Gestalt im Bett. Heddings schlief tief und fest und schnarchte fürchterlich laut. Das war ärgerlich. Danny war stolz auf ihre katzenartigen Bewegungen und darauf, dass sie nie ein Geräusch verur-sachte – doch bei dem Höllenlärm, den Heddings machte, brauchte sie nicht einmal besonders vorsichtig zu sein.
Als Erstes begab sie sich geradewegs zu der großen Kommode. In der zweiten Schublade befand sich die Schmuckschatulle. Sie war so groß, dass sie fast die ganze Schublade ausfüllte. Verschlossen war sie nicht, ja sie hatte nicht einmal ein Schloss. Viel zu vertrauensselig, dieser Lord Heddings.
Danny hob den Deckel und war für einen Augenblick geblendet von all dem Glanz in der Schatulle, in der nicht nur Ringe lagen, sondern auch Armbänder, Bro-schen, sogar Halsketten. Das meiste davon war Damen-schmuck. Weitere Gewinne aus dem Glücksspiel? Danny war das völlig gleichgültig.
Sie beschloss, die Schatulle nicht mitzunehmen. Sie war zu groß, und Danny war sich nicht einmal sicher, dass es ihr gelingen würde, sie aus der Schublade zu heben.
Also stopfte sie sich lieber die Jackentaschen voll. Ganz zum Schluss strich sie mit der Hand über den Boden der mit Samt ausgeschlagenen Schatulle, um sicherzugehen, dass sie kein Schmuckstück übersehen hatte. Sie wollte das Ganze nicht noch einmal machen müssen, weil die beiden Erbstücke Percys nicht unter der Beute waren.
Mit diesem Gedanken im Hinterkopf durchsuchte sie sogar noch rasch die übrigen Schubladen, fand aber nichts Interessantes mehr. Auch im Schreibtisch sah sie nach, doch dort befanden sich nur Papiere. Als Letztes wandte Danny sich der Frisierkommode zu, auf der sie ein dickes Bündel Geldscheine fand, eine goldene Uhr-kette und einen weiteren Ring, der nach hinten zwischen die Parfümflaschen gerollt war, als hätte jemand ihn einfach auf die Kommode geworfen. Sie raffte alles zusammen und stopfte das Geld in die Hosentasche, da ihre Jackentaschen voll waren.
Sonst gab es nichts, das sie hätte durchsuchen können.
Die Nachttische neben dem Bett hatten keine Schubladen, und das Bücherregal schloss Danny aus. Sie dachte sich, dass ein Mann, der ein solches Vermögen an Schmuck unverschlossen in seiner Kommode aufbe-wahrte, wohl kaum etwas in ausgehöhlten Buchattrap-pen versteckte.
Erleichtert darüber, dass sie so gut wie fertig war, wandte sie sich zur Tür, blieb jedoch wie angewurzelt stehen, als Heddings plötzlich einen Hustenanfall bekam.
Rasch duckte sie sich am Fußende seines Betts nieder.
Der Husten war so heftig, dass Heddings vielleicht davon erwachte; womöglich stand er sogar auf, um aus dem Krug auf der gegenüberliegenden Seite des Zimmers etwas Wasser zu trinken. Wenn ja, würde Danny flink unter das Bett kriechen.
Der Husten wurde immer schlimmer. Es klang, als würde Heddings ersticken. Danny kam der entsetzliche Gedanke, dass er sterben könnte, und sie sah im Geiste schon vor sich, wie sie, des Mordes angeklagt, vor einem Richter stand und zum Tod durch den Strang verurteilt wurde. Ihre Hände wurden schweißnass. Sie überlegte kurz, ob sie dem Mann helfen sollte, doch im Augenblick war sie vor Angst so gelähmt, dass sie das gar nicht gekonnt hätte, selbst wenn sie vorübergehend wirklich dumm genug dazu gewesen wäre.
Es dauerte noch einen Moment, bis Danny bewusst wurde, dass Heddings wieder friedlich schnarchte – es war das schönste Geräusch, das sie je gehört hatte. Ziemlich bald begann sie sich jedoch schon wieder darüber zu ärgern, nun da der heikle Moment vorüber war, und so beeilte sie sich, Heddings’ Zimmer endlich zu verlassen.
Unten war noch alles still. Rasch huschte Danny in das Zimmer zurück, durch das sie ins Haus gelangt war.
In diesem Augenblick wurde sie abrupt von hinten an einen harten Brustkorb gerissen, und eine Hand legte sich über ihren Mund, um sie am Schreien zu hindern. Danny kam gar nicht auf die Idee zu protestieren, so sehr schlug ihr das Herz bis zum Hals. Beinahe wäre sie ohnmächtig geworden ...
Dann hörte sie, wie jemand ihr ins Ohr zischte: »Warum hast du so elend lange gebraucht?«
Er! Dannys Erleichterung währte allerdings nur eine Sekunde; dann packte sie die
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