Malory
Wut. Sie fuhr herum und herrschte Malory – freilich im Flüsterton – an: »Haben Sie nicht mehr alle beisammen? Was machen Sie denn hier drin?«
»Ich habe mir Sorgen um dich gemacht«, erwiderte Malory ein wenig zerknirscht.
Danny schnaubte gedämpft. Verkohlen konnte sie sich selber. Sorgen hatte er sich wohl eher darum gemacht, dass sie mit den kostbaren Ringen abhauen könnte.
»Wenn Sie noch mal einen zu Tode erschrecken wollen, fangen Sie bei sich selber an. Ich bin fertig hier.«
»Du hast die Ringe?«
»Ist wohl kaum der richtige Ort, das zu besprechen!«, entgegnete Danny heftig. »Ich bin schon dermaßen weg von hier, ich bin gestern schon gegangen.«
»Ganz recht«, hörte sie hinter sich, als sie sich zum Fenster wandte – und über einen Läufer stolperte.
Dass sie das Gleichgewicht verlor, überraschte sie.
Tollpatschig war sie nun wirklich nicht, und auf dem Hinweg hatte der Läufer schön glatt auf dem Boden gelegen. Zweifellos hatte Malory ihn zusammengeschoben.
Danny streckte die Hände aus, um sich noch irgendwo festzuhalten, doch in ihrer Nähe stand nur ein hoher Sockel mit einer Büste darauf. Er war so schwer, dass er ihren Sturz tatsächlich abfing; dabei fiel allerdings die Büste herunter und knallte mit einem lauten Schlag auf den Boden.
Danny stöhnte innerlich auf. In der nächtlichen Stille war dieser Krach laut genug gewesen, um die Toten auf-zuwecken, zumindest aber einen der Bediensteten, die auf der gleichen Etage schliefen. Als sie sich zurück-wandte, um Malory aufzufordern, sofort zu verschwinden, sah sie in der Tür einen Mann stehen, der eine Pistole auf den Lackaffen richtete.
Danny erstarrte, und ihr stockte der Atem. Der Mann war vollständig angekleidet; er musste schon aufgestan-den und in der Nähe gewesen sein, bevor die Büste he-runterfiel. Vielleicht hatte Malory beim Einsteigen Lärm gemacht, der den Mann geweckt hatte, sodass er nun nachsehen kam.
Es wäre sein gutes Recht gewesen, sie einfach zu erschießen und später herauszufinden, was sie hier taten.
Das hätte Danny jedenfalls gemacht, wenn sie zwei Männer erwischt hätte, die mitten in der Nacht in ihrem Haus herumschlichen.
Malory stand mit dem Rücken zur Tür. Er war herbei-gesprungen, um Danny vor dem Sturz zu bewahren, hatte jedoch innegehalten, als sie sich selbst abfangen konnte.
Immer noch schaute er sie an, inzwischen aber in besse-rem Licht, da der Mann mit der Waffe eine Lampe in der anderen Hand hielt. Danny war sich nicht sicher, ob der Lackaffe überhaupt schon begriffen hatte, dass dort jemand mit einer Lampe war.
»Nicht umdrehen«, flüsterte sie, so leise sie konnte.
»Wenn Sie erkannt werden, haben Sie mehr Ärger, als wenn er Sie erschießt.«
Sie nahm ihre fünf Sinne wieder zusammen, schob sich vor Malory, damit der Mann ihn nicht so gut sehen konnte, und erklärte: »Das Ding können Sie wegstecken, Mann. Wir haben nur einen Platz für die Nacht gesucht.
Unsere Kutsche ist im Wald hier in der Nähe zusammen-gebrochen. Mylord hier hat gedacht, er kennt Ihr Haus.
Ist aber sternhagelvoll; würde mich also nicht wundern, wenn er sich vertan hat. Wir haben geklopft. Der Lord wollte aber ums Verrecken nicht aufgeben, als keiner aufgemacht hat. Wollte unbedingt reingehen und im Salon schlafen. Hat immer gesagt, Heddings hat bestimmt nichts dagegen. Hat er sich getäuscht? Ist das nicht Heddings’ Haus?«
Sogleich löste sich die angespannte Miene des Mannes; auch die Pistole ließ er ein wenig sinken, wenn auch nicht ganz. Also trug Danny noch dicker auf.
»Er hat versucht, mir die Schuld dran zu geben, dass wir ein Rad verloren haben. Dabei hab ich ihn letzten Monat noch gewarnt, Sie müssen neue Räder an Ihre olle Kutsche machen. Aber natürlich hat er seine ganze Kohle für schöne Frauen und fürs Glücksspiel ausgegeben und wie üblich nicht auf mich gehört.«
Der Mann hustete. »Sollten Sie das in seiner Gegenwart erwähnen?«
Danny brachte ein Lachen zustande. »Der ist so besoffen, der erinnert sich morgen an nichts mehr. Weiß gar nicht, wie er überhaupt noch stehen kann.«
»Wer ist er?«
Danny hatte nicht damit gerechnet, einen Namen nennen zu müssen, doch als sie daran dachte, wie sie hierher gekommen war, fiel ihr rasch einer ein: »Lord Carryway aus London.«
»Warum haben Sie ihn nicht einfach in der Kutsche schlafen lassen?«, wollte der Mann als Nächstes wissen.
»Hätte ich ja, aber wie wir dort drüben durch den Wald fuhren, hab ich
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