Malory
ihrem dunkelblauen Rock und der weißen Bluse sah, über der sie diesmal als Farbtupfer eine hellblaue Schürze trug.
Sie sagte nur: »Na bravo. Meine Sehkraft scheint allmählich nachzulassen. Normalerweise erkenne ich mein eigenes Geschlecht, ganz gleich, wie jemand gekleidet ist.«
»Das lag gewiss an meinem Haar, Madam. An der bur-schikosen Herrenfrisur.«
»Vermutlich.« Regina seufzte. »Ist trotzdem ein verdammt komisches Gefühl, sich so kolossal geirrt zu haben.«
»Hübsches junges Ding«, hörte Danny Nicholas Eden zu seiner Frau sagen, während sie quer durch den großen Salon gingen, um sich zu Drew zu gesellen.
»Du solltest das eigentlich gar nicht bemerken«, tadelte Regina ihn, allerdings in scherzhaftem Ton. »Aber ich bin sicher, Jeremy ist es aufgefallen.«
Danach trafen immer mehr Malorys ein. Carlton ließ sie ins Haus. Danny musste doch ein Teetablett holen, im Laufe des Abends sogar noch ein zweites. Den Gesprächsfetzen, die sie aufschnappte, entnahm sie die Namen der Anwesenden. Außerdem fing sie zahlreiche neugierige Blicke in ihre Richtung auf.
Es stellte sich heraus, dass die beiden Damen, die am Vortag beim Großeinkauf dabei gewesen waren, Jeremys Cousine und seine angeheiratete Tante waren. Die dun-kelhaarige Cousine hieß Kelsey und war verheiratet mit Derek, einem der großen, blonden, gut aussehenden Malorys. Dereks Vater Jason war der Marquis, der nur selten in die Stadt kam.
Die rothaarige Schönheit war Roslynn, die Frau von Jeremys Onkel Anthony. Bei dessen Anblick verschlug es Danny wirklich die Sprache. Er sah Jeremy so ähnlich, dass es schon unheimlich war – eine ältere Ausgabe seines Neffen. Es musste komisch sein, genau zu wissen, wie man in späteren Jahren aussehen würde. Doch auch die ältere Ausgabe war so verdammt attraktiv – kein Wunder, dass Jeremy vor Selbstbewusstsein nur so strotzte. Er wusste, dass er sich noch auf viele, viele Jahre freuen konnte, in denen seine erotische Ausstrahlung kein bisschen nachlassen würde.
Ein weiterer Onkel traf ein, der Graf, von dem Mrs Appleton gesprochen hatte. Edward Malory war ein fröhlicher, herzlicher Vertreter des blonden Teils der Familie. Er war etwa zehn Jahre älter als sein Bruder Anthony und hatte selbst eine große Familie. Seine Frau Charlotte und die beiden erwachsenen Söhne, Travis und Marshall, waren ebenfalls zugegen. Offenbar hatten Edward und Charlotte auch noch drei Töchter, allesamt verheiratet, von denen jedoch heute Abend keine erwartet wurde. Zwei von ihnen lebten auf dem Land; die jüngste, Amy, dagegen war nach Amerika gesegelt, zusammen mit ihrem Mann, Warren, der wiederum ein Bruder von Drew Anderson war. Sie wurden irgendwann im Laufe des Sommers zu Hause zurückerwartet, aber niemand wusste genau, wann.
Da ausschließlich Verwandte und enge Freunde geladen waren, durfte Anthonys und Roslynns kleine Tochter, Judith, beim Essen dabei sein. Bei derart attraktiven Eltern war es kein Wunder, dass Judy, wie sie genannt wurde, ein ausgesprochen schönes Mädchen war. Sie hatte das rotgoldene Haar ihrer Mutter und die gleichen erstaunlich blauen Augen wie ihr Vater und auch Regina und Jeremy. Im Übrigen war sie recht altklug und nahm wie die meisten Kinder kein Blatt vor den Mund.
Bevor das Essen aufgetragen wurde, kam sie zu Danny herüber, und nachdem sie eine Weile zu ihr aufgeschaut hatte, sagte sie rundheraus: »Du bist sehr hübsch.«
»Du auch.«
»Ich weiß.« Doch die Kleine seufzte bei diesen Worten, als wäre sie gar nicht glücklich darüber. »Sie sagen immer, ich werde meinem Vater Kummer machen, wenn ich groß bin.«
»Warum?«
»Wegen all der Verehrer, die ich dann habe.«
»So viele?«, fragte Danny.
»Ja, hunderte und aberhunderte. Onkel James glaubt nicht, dass mein Vater gut damit zurechtkommen wird. Er denkt, Papa wird sich« – sie hielt inne, um sich vorzubeu-gen und zu flüstern – »verdammt zum Affen machen.«
Danny hatte Mühe, ernst zu bleiben. »Und was glaubst du?«
»Ich glaube, Onkel James hat Recht.«
Nun musste Danny doch lachen, obwohl sie wünschte, sie könnte sich besser beherrschen. Schließlich zog sie sämtliche Blicke im Raum auf sich. Das hätte sie noch verkraften können, obwohl es schon unangenehm genug war. Schlimmer war, dass sie auch Jeremy auf sich aufmerksam gemacht hatte.
Er war reihum gegangen, hatte mit all seinen Verwandten, die ankamen, geplaudert und es dabei prächtig verstanden, Danny an ihrem Platz neben der Tür
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