Malory
ablenken.«
»Es gibt kein Problem.«
»Und ob es eins gibt«, schimpfte Georgina. »Gabrielle ist ein junges, unschuldiges ...«
»Ganz so unschuldig ist sie nicht mehr.«
»Ich verstehe«, sagte Georgina seufzend, doch dann verbesserte sie sich: »Nein, ich verstehe nicht, dabei hatte ich genau das befürchtet. Du solltest es besser wissen. Sie stand unter unserer Obhut. Großer Gott, Drew, was hast du dir nur dabei gedacht?«
»Sie hat sich eurer Obhut entzogen.«
»Und sich in deine begeben, was dasselbe ist, also stand sie sozusagen immer noch unter dem Schutz unserer Familie. Du wirst sie heiraten müssen. James wird darauf bestehen, wenn er es herausfindet.«
»Dann wird er sich mit ihr auseinandersetzen müssen. Ich habe ihr bereits einen Antrag gemacht.«
Georgina blickte Drew finster an, weil er erst jetzt damit herausrückte. »Warum hast du mir das nicht längst gesagt?«
»Weil sie mir einen Korb gegeben hat.«
Das nahm ihr den Wind aus den Segeln. »Wirklich? Das kann ich gar nicht glauben.«
Drew ging es ebenso, trotzdem versuchte er sich an einer Erklärung: »Sie denkt, ich bin ein Verführer, ein Schuft, ein unverbesserlicher Frauenheld.«
»Aber du bist ein unverbesserlicher Frauenheld.«
Drew lächelte Georgina an. »Das wäre vorbei, wenn ich verheiratet bin, nicht wahr? Oder glaubst du, eine Ehe würde mich nicht wesentlich ändern können?«
»Was ich glaube, spielt in diesem Fall keine Rolle.« Doch dann fragte Georgina gezielt: »Liebst du sie?«
»Natürlich nicht«, erwiderte er rasch. Dann gab er jedoch zu: »Obwohl ich wohl noch nie eine Frau so sehr begehrt ha-be. Aber darüber komme ich bestimmt hinweg, sobald mir die Nächste über den Weg läuft.«
Georgina schnaubte und bohrte ihm einen Finger in die Rippen. »Ich würde vorschlagen, dass du ein bisschen genauer darüber nachdenkst, Bruderherz. Es wäre viel besser, diese Ehe in dem Wissen einzugehen, dass du das Richtige nicht nur einfach tust, sondern es auch tun willst.«
Damit ließ Georgina ihn stehen. Drew rief ihr nach: »Ich habe dir doch gesagt, sie hat mich abblitzen lassen!«
»Das wird sich ändern, wenn James von der Sache erfährt.
Darauf kannst du Gift nehmen.«
Kapitel 47
Gabrielle gelang es, an diesem Abend jeder Befragung der persönlicheren Art aus dem Weg zu gehen, indem sie leichte Kopfschmerzen vorschützte. Unter dem Vorwand, dass sie sich nach der kurzen Ruhepause, die alle einlegen wollten, sicher wieder besser fühlen würde, ging sie hinauf in ihr Zimmer.
Sie ruhte sich auch aus, oder zumindest versuchte sie es, doch sie zitterte vor lauter Angst und Furcht. Und gleichgültig wie angestrengt sie versuchte, sich auf positive Gedanken zu konzentrieren, sie konnte das Zittern nicht unterdrücken.
Nun da die Rettung ihres Vaters kurz bevorstand und sie gewissermaßen auf Rufweite an Pierre Lacross herankommen würde, konnte sie an nichts anderes mehr denken.
Vor den anderen hatte sie nicht über ihre Befürchtungen gesprochen, aber was, wenn ihr Vater und seine Crew nicht in der Verfassung waren zu flüchten? Nach fast zwei Monaten Kerker war mit allem zu rechnen. Denn Pierre war böse! Hatte er ihnen anständiges Essen gegeben oder nur Reste, gerade eben genug, um sie am Leben zu halten? Hatte er sie womöglich auf andere Weise misshandelt, nur so zum Spaß? Hatte er Nathans Männer überhaupt am Leben gelassen, zumal sie ihm völlig gleichgültig und für seine Zwecke unwichtig waren?
Gabrielle schaffte es, das Zittern unter Kontrolle zu bekommen, ehe sie sich den anderen unten wieder anschloss.
Während der kurzen Seefahrt hatte sie keine Gelegenheit, allein mit Drew zu sprechen. Er hatte die Aufgabe, das Schiff zu steuern, selbst übernommen und besprach unterwegs viel mit Ohr. Man hatte beschlossen, dass Ohr mit ihm und James an Land gehen sollte. Richard gehörte nicht zur Rettungsmann-schaft, nicht weil man ihn nicht hätte brauchen können, sondern weil James nebenbei bemerkt hatte, dass Richard im Kerker zurückbleiben müsse, wenn es nach ihm ginge. Wahrscheinlich hatte James nur Spaß gemacht. Doch Richard wollte es lieber nicht darauf ankommen lassen.
Sie ankerten die Triton und James’ Schiff in einer kleinen Bucht auf der westlichen Seite der nicht sehr großen Insel.
Bixley schätzte, dass der Marsch zur Festung, hauptsächlich am Strand entlang, eine Viertelstunde dauern würde. Und es blieben noch etwa fünf Nachtstunden, um in den Kerker hinein– und wieder
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