Malory
sie an ihre morgendliche Übelkeit gedacht hatte, die sie irgendwie in den Griff bekommen mußte, um Frances' Hochzeit nicht zu versäumen.
Sie hatte ja nicht gewußt, daß sie keinen Schlaf finden würde. Noch in der vergangenen Nacht hatte sie sich an Anthony schmiegen und den Kopf an seine Brust legen können. Welch einen Unterschied doch ein einziger Tag machen konnte. Nein, nicht der Tag. Ihre verdammte Bedingung.
So ging es einfach nicht. Sie mußte. . .
Sie hörte Anthony stöhnen, und gleich darauf zog er sie an seine Brust. Sein Kuß war wild, voller entfesselter Leidenschaft, die sie beide immer mehr entflammte. Roslynn war so erleichtert und so selig, daß sie sich ihm rückhaltslos hingab. Sie würde ihren Stolz besiegen. Sie liebte ihn. Sie würde es ihm sagen müssen, aber jetzt war dafür nicht der richtige Zeitpunkt. Später, wenn sie wieder einen klaren Gedanken fassen konnte. . .
Kapitel 43
Alles schien sich gegen Roslynn verschworen zu haben, um sie an einem Gespräch unter vier Augen mit Anthony zu hindern. Nach dem Liebesakt in jener Nacht war sie sofort eingeschlafen, und am nächsten Morgen hatte Anthony sie geweckt und ihr mitgeteilt, George sei gegangen, sie könne also ihr Zimmer zurückhaben. Ganz kühl und nüchtern hatte er das vorgebracht, so als wäre die Nacht nicht gewesen. Und noch bevor sie ihm etwas hätte sagen können, war ihr übel geworden, und sie hatte ihr Zimmer in allerletzter Sekunde erreicht.
Dann hatte die Trauung stattgefunden, und das anschließende Mittagessen hatte sich bis zum späten Nachmittag hingezogen. Und dann waren James und Anthony zusammen ausgegangen, um James' letzten Abend an Land würdig zu begehen, und Roslynn hatte schlecht geschlafen, weil ihr der Gedanke, was die beiden wohl so alles treiben mochten, keine Ruhe gelassen hatte. Sie waren jedenfalls erst im Morgengrauen nach Hause gekommen.
Und an diesem Morgen nun hatte sie sich in aller Eile fertigmachen müssen, um zum Hafen zu fahren, wo sich anläßlich des Auslaufens der ›Maiden Anne‹ der ganze Malory-Clan versammelt hatte. Jetzt stand sie etwas ab-seits, neben Jeremy, während James' Brüder ihn umarm-ten und ihm eine gute Fahrt wünschten. Auch Roslynn hatte James zum Abschied geküßt, sehr flüchtig, unter Anthonys
wachsamen
Augen,
was
James
natürlich
so-
fort kommentiert hatte.
»Du wirst
ihn
bestimmt
schrecklich
vermissen, Jere-
my?«
Der Junge grinste ihr zu. »Na ja, er wird wohl nicht ewig wegbleiben. Und wahrscheinlich werde ich gar keine Zeit haben, um ihn zu vermissen. Weißt du, er hat mir jede Menge Verhaltensmaßregeln gegeben. Ich soll mich eifrig meinen Studien widmen und mir keinen Bast. . . äh
- also, ich soll nicht in Schwierigkeiten geraten, und ich soll auf Onkel Tony und natürlich auch auf dich hören und mich überhaupt so benehmen, daß er stolz auf mich sein kann.«
»Ich bin sicher, daß du das alles spielend schaffst.«
Roslynn rang sich ein Lächeln ab, aber die Hafengerüche waren Gift für ihren Magen, und sie wußte, daß sie sich rasch in die Kutsche begeben mußte, wenn sie sich nicht in
aller
Öffentlichkeit
übergeben
wollte.
»Ich
glaube,
jetzt bist du an der Reihe, um dich von deinem Vater zu verabschieden, Junge.«
Jeremy wurde nicht nur von James, sondern auch von Conrad fest umarmt und mußte sich von letzterem auch noch einmal anhören, was er zu tun und zu lassen hatte.
Die Gezeiten waren seine Rettung. Für die ›Maiden An-ne‹ wurde es allmählich höchste Zeit auszulaufen, und die beiden Männer mußten an Bord gehen.
Wegen eines Katers, den er Anthony zu verdanken hatte, hätte
James
fast
etwas
Wichtiges
vergessen.
In
letzter Minute rief er Jeremy noch einmal zu sich und händigte ihm einen Brief aus. »Sieh zu, daß deine Tante Roslynn das bekommt, aber so, daß Tony es nicht sieht.«
Jeremy schob das Blatt in die Tasche. »Es ist doch wohl kein Liebesbrief, oder?«
»Ein
Liebesbrief?«
schnaubte
James.
»Verschwinde,
aber schnell! Und paß a u f . . . «
»Ich weiß, ich weiß.« Jeremy hob abwehrend die Hände und rief lachend: »Ich tu nichts, was du nicht tätest.«
Er rannte die Laufplanke hinab, bevor sein Vater ihm wegen
seiner
Unverschämtheit
die
Ohren
lang
ziehen
konnte. James drehte sich lächelnd um und stieß fast mit Connie zusammen.
»Worum ging's denn?«
James war klar, daß Connie gesehen hatte, wie er seinem Sohn
den
Brief
übergab.
Schulterzuckend
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