Malory
und im Gegensatz zu Frances ja auch nachmittags nicht geschlafen. Es hatte einige Zeit gedauert, bis sie über
James'
unverschämte
Schlußfolgerungen
bezüglich
ihrer
Vorliebe
für
einen
bestimmten
Mann
hinwegge-
kommen war, aber sie hatte sich sogar noch mit Regina unterhalten und wußte jetzt wesentlich mehr über ihre Heiratskandidaten,
obwohl
die
Liste
durch
diese
Aus-
künfte bedauerlicherweise nicht kürzer geworden war.
Sir
Artemus
Shadwellar
ein
leidenschaftlicher
Spieler,
aber diese Beobachtung hatte Roslynn selbst schon gemacht, und er war reich genug, um sich diesen Luxus leisten zu können. Lord Grahame, der distinguierte Graf von
Dunstanton,
war
dreimal
verwitwet.
Der
Ärmste
schien immerhin die Hoffnung nie aufzugeben. Lord David Fleming, Viscount und Erbe eines Herzogtums, war ein eingefleischter Junggeselle von so großer Diskretion, daß sein Name noch nie in Zusammenhang mit irgendeiner
Frau
genannt
worden
war.
Empfehlenswert.
Aber
der
Ehrenwerte
Christopher
Savage
war
für
Roslynn
nach wie vor ein Buch mit sieben Siegeln. Die Montieths waren mit ihm nicht bekannt.
Aber es waren nicht diese Herren gewesen, die ihre Gedanken so beschäftigten, daß sie sich nachts schlaflos von einer Seite auf die andere gewälzt hatte. Auch James Malorys Frechheit war vergessen gewesen. Nein, es war nur
jener
schwarzhaarige
Schuft
mit
seinen
kühnen,
blauen Augen, der ihr den Schlaf geraubt hatte, weil sie im Geiste immer wieder jene schicksalhaften Minuten im Wintergarten durchlebt hatte.
Nun,
damit
mußte
jetzt
endgültig
Schluß
sein.
Sie
würde
keinen
Gedanken
mehr
an
hinterhältige
Schür-
zenjäger verschwenden, sie würde sich nicht mehr von ihrem Ziel ablenken lassen, sondern sich energisch an die Arbeit machen. Sie schickte ein Stoßgebet zum Himmel, daß heute all ihre respektablen Kandidaten auf Silverley weilen würden.
Sie klingelte nach Nettie, hatte es aber plötzlich so eilig, ihr Zimmer zu verlassen, daß sie allein begann, Toilette zu machen, und schon in ein pfirsichfarbenes Ta-geskleid mit kurzen Puffärmeln und Volants am Saum geschlüpft war, bevor die Zofe erschien. Roslynn be-stürmte sie, sich mit ihrer Frisur zu beeilen, was ihr ein Schnauben und eine kurze Standpauke über die versäumten
Gelegenheiten
von
Langschläfern
einbrachte.
Der straffe Nackenknoten mit den einzelnen kurzen Lok-ken, die das Gesicht umrahmten, gelang Nettie allerdings trotz ihres Gebrumms großartig.
Roslynn nahm sich aber nicht viel Zeit, um ihr Spiegel-bild zu bewundern, sondern griff hastig nach einer wei-
ßen Satinhaube mit Straußenfedern und nach einem Sonnenschirm aus Spitzen und eilte davon, während Nettie sich seufzend daran machte, die Unordnung zu beseiti-gen, die Roslynn bei der Suche nach geeigneter Garderobe angerichtet hatte.
Roslynn warf hinter sich die Tür zu und blieb im nächsten Augenblick wie angewurzelt stehen, denn am Ende des schmalen Korridors, der zu den Gästezimmern führ-te, lehnte Anthony Malory lässig am Geländer.
Es konnte kein Zweifel daran bestehen, daß er auf sie wartete, und sie hatte keine Möglichkeit, ihm zu entkommen.
Er trug ein besticktes Batisthemd ohne Krawatte; die obersten Knöpfe waren geöffnet und enthüllten ein V-förmiges
braungebranntes,
leicht
behaartes
Stück
Brust.
Sein dunkelblaues Jackett brachte die breiten Schultern und die muskulösen Oberarme voll zur Geltung. Eine weiche
Wildlederhose
sowie
auf
Hochglanz
polierte
Schaftstiefel
vervollständigten
seinen
Aufzug.
Er
er-
weckte
äußerlich
wirklich
nicht
den
Eindruck
eines
Nachtschwärmers,
der
alle
Arten
von
Ausschweifungen
liebte, sondern strotzte nur so von Kraft. Man hätte glauben können, einen Athleten vor sich zu haben, der sich viel in freier Natur aufhielt. Jedenfalls war er geradezu gemeingefährlich attraktiv.
Als Roslynn keine Anstalten machte, sich ihm zu nä-
hern, sagte Anthony: »Ein wahres Glück, daß Sie endlich herausgekommen sind. Ich hatte mir gerade ausgemalt, was wohl passieren würde, wenn ich in Ihr Zimmer schlüpfte und Sie noch im Bett fände...«
»Sir Anthony!«
»War die Tür unverschlossen?« neckte er sie weiter und fuhr angesichts ihrer zornigen Miene mit strahlen-dem Lächeln fort: »Sie brauchen mich mit Ihren schönen Augen nicht zu erdolchen, meine Liebe. Ich habe kein Wort davon
ernst
gemeint.
Und
Sie
können wirklich
ganz unbesorgt näher
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