Maltas Geheimnis
müssen.
»In einem zerfallenen Gebäude in dieser Richtung liegen die Ausrüstungsgegenstände, von denen ich dir erzählt habe«, rief sie Raul gegen den Wind zu und zeigte mit ausgestrecktem Arm nach vorne. »Komm, wir sollten erst einmal nachschauen, was Axel und Jens alles dort gelassen haben. Danach können wir dann die Stelle suchen, an der sie abgestiegen sind.«
Raul nickte nur und ließ sich von ihr führen. Es begann stärker zu regnen. Die Tropfen prasselten auf Alishas Parker und sie konnte nur schwer durch den Regenschleier sehen.
Völlig durchnässt kamen sie an einer stallähnlichen, zerfallenen Ruine an. Sie war aus Felssteinen errichtet worden und so stark zerstört, dass nur noch ein kleiner Teil überdacht war. Diese kleine Nische war so versteckt, dass man schon wissen musste, wo zu suchen war. Kaum jemand würde den beschwerlichen Weg hierher auf sich nehmen, das wusste sie, denn sie hatte diese Stelle früher gerade wegen ihrer Abgeschiedenheit sehr gerne aufgesucht. Dort hatte sie so herrlich träumen und auf das weite Meer hinausschauen können. Wurde sie von Regen überrascht, hatte sie sich in diese Nische zurückgezogen. Im vorderen Bereich konnte man gerade noch gebückt stehen oder sehr bequem sitzen, im hinteren Bereich bestenfalls liegen.
Schnell schlüpfte sie auch jetzt hinein und zog Raul mit.
»Warst du schon mal hier?«, fragte sie ihn und begann das gestrüppähnliche Heu im hinteren Teil zu durchstöbern.
»Nein, beim besten Willen nicht. Was soll ich denn auch in dieser langweiligen, tristen Gegend? Hierher verirren sich normalerweise noch nicht einmal Touristen, und die tauchen doch wirklich überall auf und stecken ihre Nase in alles hinein.«
Holla, hörte sie da einen Misston heraus? Er lebte doch von diesen Touristen – ganz Malta lebte vorwiegend von ihnen. Oder handelte es sich um die gespaltene Seele eines Menschen, der zwar von einer Sache profitierte, sich aber trotzdem von ihr in seiner herkömmlichen Lebensart gestört fühlte? Sie musste unweigerlich an eine große Fastfood-Kette denken, die es in nahezu jedem Staat der Erde gab, ob es in die Kultur und Ernährungsgewohnheiten dort passt, oder nicht.
Oder meinte er Axel und Jens und ihren Leichtsinn, der sie in diese gefährliche Situation gebracht hatte?
Sie wollte lieber keine Diskussion über dieses Thema entfachen und durchsuchte weiter die hintersten Winkel der Nische. Endlich fühlte sie etwas, was bestimmt nicht Teil des alten Gemäuers war – es war viel zu glatt. Schnell zog sie den Gegenstand heraus und hatte eine Hochleistungslampe in der Hand, die man auf einen Helm klemmen konnte. Zufrieden hielt sie Raul ihren Fund hin »Du siehst also, dass ich nicht gesponnen habe.«
Das hatte sie loswerden müssen – zu tief hatte sie Rauls Misstrauen am Morgen getroffen.
Diesmal war er es, der nicht antwortete und sie konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen, als er schnell wegschaute und eifrig nach weiteren Ausrüstungsgegenständen zu suchen begann.
Kurze Zeit später hatten sie alles zusammen: Ellenlange Seile, Kerzen, Lampen, Streichhölzer, Feuerzeuge und sogar ein Päckchen Kreide. Allerdings gab es lediglich einen Helm, und der passte nur Alisha. Helmlampen zum Anschnallen waren erstaunlicherweise zwei Stück vorhanden.
»Mist«, zischte Raul, »wenn wir wirklich die Höhle finden und ich es wirklich schaffe, dorthin zu kommen, dann brauch ich unbedingt auch einen Helm. Ohne ihn ist es viel zu gefährlich.«
»Vielleicht würde es dein Motorradhelm auch tun.«, überlegte Alisha.
»Ich glaube das ginge. Aber den hab´ ich doch bei meinem Roller gelassen …«, er sah Alishas auffordernden Blick, »Ach, du meinst, ich soll ihn holen?«
Sie musste lachen. Er hatte ihren Blick richtig interpretiert. Noch vergnügter wurde sie, als sie seinen Gesichtsausdruck sah, mit dem er aus dem geschützten »Erdloch« heraus den niederprasselnden Regen betrachtete. Er zog die Nase kraus und seufzte tief.
»Na gut«, knirschte er, kroch aus der Behausung heraus und spurtete los.
Mit seinem Verschwinden, verging auch Alishas ihr Lachen. Sie fühlte sich allein gelassen und eine Welle der Beklommenheit stieg in ihr hoch. Am liebsten wäre sie hinter ihm hergelaufen, aber sie wusste, sie würde ihn weder einholen noch wäre es sinnvoll. Also blieb sie still zusammengekauert sitzen und wartete.
Die Minuten vergingen, als wären es Stunden. Nicht einmal der vertraute Blick über die Klippen auf das weite
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