Mama muss die Welt retten - wie Mütter vom Wickeltisch aus Karriere machen
das ist glücklicherweise die Ausnahme. Um halb zehn geht die kleine Ressortkonferenz los. Warten bis man dran ist, seine Themen vorzuschlagen, dann schnell, schnell in die große Konferenz, an der alle Ressorts und die Chefredakteure teilnehmen. Es herrscht meistens Superstimmung. Einige Kollegen diskutieren, reißen Witze, alle lachen mit. Mittlerweile ist es dann halb elf, manchmal auch elf. Ich will mein Thema besprechen, aber keiner ist da. Einige haben Anschlusstermine, Meetings, der Rest verkrümelt sich meistens in die Raucherecke. Also ist warten bis halb zwölf angesagt, und man vertreibt sich die Zeit mit Facebook und vielleicht noch mal damit, die Süddeutsche intensiv zu lesen. Dann ist es meist schon Viertel vor 12, und ich bekomme endlich einen der Chefs zu greifen. Kurze Absprache. Und dann ist wieder keiner da, weil ja schon Mittagspause ist.
Nicht, dass mich jemand falsch versteht: Meine Kollegen und Chefs sind große Klasse, schnell im Denken und geniale Zeitungsmacher, die dann, wenn der Produktionsstress um 17 Uhr am größten wird und die erste Ausgabe heraus muss, unter Druck erst richtig aufblühen.
Meinetwegen. Aber offen gestanden: Diese Art zu arbeiten, in diesen zerfaserten Abläufen, hat mich über die Jahre krank und träge gemacht. Ich ticke da einfach ganz anders.Ich fand es immer toll, während meines Studiums oder beim Schreiben meines ersten Buches, morgens zu duschen, dann meine Schlafanzughose wieder anzuziehen und mich mit einer Schüssel Müsli vor den Rechner oder die Bücher zu setzen. So wurde ich nicht fremdbestimmt vom öffentlichen Nahverkehr, musste mich nicht schick machen, sondern konnte gleich ganz unverbraucht eintauchen.
Auch an die achtstündigen Lern-Sessions in der kühlen Bibliothek im Hochsommer, als ich vor drei Jahren meine letzte schwierige Prüfung in Klassischem Chinesisch vorbereitete und von der Angst gepeitscht war, nicht zu bestehen, denke ich komischerweise heute gerne zurück. Es gab nur mich (aufgeputscht durch jede Menge Eiskaffees mit Doppelt-Sahne) und diese fast 3000 Jahre alten Texte von Konfuzius und Laozi. Ein fairer Zweikampf. Entweder ich müsste mich geschlagen geben oder ich würde sie beherrschen. Ich arbeitete gegen die Zeit. Die Zeit bis zur Prüfung. Und das war gut, denn ich hatte eine Richtung und ich musste schnell sein. Kein Facebook, keine Mails, kein Chat mit den Freundinnen.
Und plötzlich, als ich mit dem bald zwei Monate alten Maxime zu Hause auf der Couch saß, war ich wieder in derselben Situation. Völlige Stille, es warteten noch sieben Kapitel meines ersten Buches auf mich, die ich zu Ende schreiben, und natürlich der ganzen Uni-Kram, den ich durcharbeiten musste.
Das Internet funktionierte noch nicht, da wir gerade umgezogen waren und den falschen Anbieter hatten. Ich rannte gegen die Zeit, diesmal nicht bis zum Prüfungstermin, sondern bis zum nächsten Aufwach-Wuäääh vomCouch-Kissen direkt neben mir. Ich hatte mir alles perfekt zurechtgebaut. Die Couch, fünf große Kissen, mein Stillkissen mit Maxime drauf, das mich umringte wie eine Riesenboa. Und natürlich Laptop, Ladegerät, Handy, Taschentücher, Wasser, Kräcker, 80 Seiten Uni-Unterlagen – alle in greifbarer Nähe auf den Lehnen angeordnet. Irgendwann, meistens so gegen zehn Uhr, bekam Maxime Durst, also stillte ich ihn, dabei schlief er meistens ein, und während der kleine Herr seinen zweistündigen Vormittagsschlaf einlegte, powerte ich durch. Je nach Laune schrieb ich an meinen Uni-Essays oder an den letzten Kapiteln meines ersten Buches.
Ich kam mir vor wie Superwoman. Dieses Gefühl, meinem süßen Sohn gerecht zu werden, der friedlich an Mamas Speckbauch schlummerte, und trotzdem mit einem Fuß in der Arbeitswelt zu stehen und etwas zu schaffen, löste in mir mehr Glücksgefühle aus als jedes Still-Hormon der Welt. Das beste an dieser Methode war: Ich kam voran. Und zwar so schnell, dass ich bald von einem persönlichen Rekord sprechen konnte. Vor allem störte mich niemand. Keine Sekretärin, die anrief, weil der Chef mich jetzt sofort sprechen muss. Keine Konferenz, keine Diskussionen mit Kollegen über was jetzt wie am besten gemacht wird. Das spart Zeit und Nerven. Abends fühlte ich mich nicht einmal völlig erledigt, sondern einfach nur müde. Babymüde, aber glücklich.
»Ich will nicht, dass du immer nur zu Hause vor dich hin arbeitest. Du gehst hier noch ein. Als Heimchen am Rechner«, nörgelte Pausti oft. Aber er hatte völlig
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