Mama muss die Welt retten - wie Mütter vom Wickeltisch aus Karriere machen
nasser Windel herumschleppen zu müssen. Weil es nervt, geschlagene zwei Stunden den Impfpass zu suchen und deswegen verspätet mit hochrotem Kopf und verschwitzt, den MaxiCosi im Schlepptau, beim Kinderarzt in der Praxis zu erscheinen. Und nicht zuletzt, weil es eine junge Mutter gehörig reizt und irgendwann panisch macht, wenn die Milchflasche oder der Schnullerwie vom Erdboden verschluckt sind und dem eigenen Säugling kleine Babytränchen über die Wangen laufen.
Mütter sind frustresistent. Diplom-Chemiker sind bei Einstellungsgesprächen in der freien Wirtschaft sehr beliebt, weil sie so frustrationstolerant sind, erklärte mir mein dauerbekiffter Mitbewohner während des Studiums. Warum? Weil sie Experimente häufig mehrmals wiederholen müssen, bis sie so funktionieren wie gewünscht … Wenn Diplom-Chemiker schon frustrationstolerant sind, was ist dann erst mit Müttern? Denn wann verläuft ein Tag mit Kind denn schon mal so, wie er soll? Nie bis nie in der gesamten Menschheitsgeschichte. Du planst perfekt deinen Tag, aber da ist da noch die große Unbekannte beziehungsweise der kleine Fehlerquotient. Und der ist wahlweise hungrig, durstig, schlecht gelaunt, fiebrig oder einfach nur verhaltensauffällig. Meine persönliche Lieblingssituation war, als ich Maxime später einmal mit anderthalb Jahren auf ein Event am Nachmittag in einer schicken Galerie mitnahm und er sich vor den Augen aller Gäste auf den Boden warf und 20 Minuten lang schrie wie am Spieß, weil ich ihn zum x-ten Mal davon abgehalten hatte, in das Hinterzimmer mit den Putzmitteln zu laufen. P-E-I-N-L-I-C-H. Also nicht für ihn, sondern für mich, die alle Blicke der Umstehenden aushalten musste, deren Babys natürlich alle gerade Keks kauten oder lächelten.
Frauen mit Kindern übernehmen Verantwortung. Weil sie es ja ohnehin jeden Tag tun. Und da geht es um Menschenleben. Ich will gar nicht darüber spekulieren, wieoft ich Maxime sein kleines Leben gerettet habe, wenn ich ihn mal wieder von der (nicht gesicherten) Steckdose weggezogen habe, die er gerade versucht hatte, anzulecken. Oder wie oft ich ihn gezwungen habe, das riesige Stück Apfel wieder auszuspucken, beziehungsweise ich es aus seinem Mund Stück gepult habe, während das kleine Monster die Gelegenheit nutzte, um mich zu beißen. Kurzum: Mütter tragen Verantwortung, erscheinen pünktlich, vermasseln keine Aufträge oder Meetings und retten im Notfall sogar Menschenleben. Gehört schließlich zu ihrem Tagesgeschäft.
Mamas sind kreative und pragmatische Problemlöser. Was vielen Mitarbeitern im Berufsleben fehlt, ist die Freude an unkonventionellen Lösungen oder Erfindergeist. Sie sind festgefahren und wie ich, als ich noch kinderlos war, oft etwas betriebsblind.
Nach Maximes Geburt änderte sich das schnell. Seitdem weiß ich, dass ein Halstuch auch sehr gut bei einer tropfenden Babynase hilft, eine Banane vom Kiosk um die Ecke ein Mittagessen sein kann, eine Damenbinde ein Windelersatz, ein Lipgloss ein Spielzeug, eine Wasserpistole ein Nasenspray für den Notfall, und dass man in der Uni auch mit einem Wachsmalstift mitschreiben kann.
Außerdem lässt mich Maximes Art, die Welt zu erforschen, viele Dinge neu überdenken. Zum Beispiel frage ich mich nun häufiger, ob sie logisch sind oder nicht. Warum hetzen wir uns jeden Tag ab und gehen arbeiten oder zur Kita, obwohl wir woanders mit weniger Aufwand mehr Zeit füreinander hätten? Was hat die ganzeWelt eigentlich mit Puzzeln und warum musste ich immer Kaufladen spielen? Und in meinem Fall: Wird mein Sohn, der mit einem Jahr mein iPad bedienen konnte, jemals ein echtes Buch oder eine Papierzeitung als Medium ernst nehmen? Diese Art, mit seiner Denkweise das Pferd von hinten aufzuzäumen oder die Welt aus anderen Blickwinkeln zu sehen, lüftet einfach den Kopf und bringt einen auf neue Ideen. Und vielleicht sogar auf mehrere als eine Manager-Tagung, ein Betriebsausflug oder ein Coaching jemals hätten bringen können. Ist so.
Mamas überarbeiten sich nicht und kennen keinen Größenwahn. Warum? Weil Babys das beste Anti-Burn-Out-Mittel der Welt sind. Sie machen Überstunden schwierig bis unmöglich, geben den Takt vor und holen einen unerbittlich zurück auf den Boden der Tatsachen. Nach einem Interview, das ich einmal fürs Fernsehen gegeben habe, wäre ich beinah kurz größenwahnsinnig geworden und wähnte mich schon als zukünftiger Promi auf der »Wetten, dass …?«-Couch, wäre da nicht der kleine Herr Maxime gewesen.
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