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Mama Mutig - Virnich, B: Mama Mutig

Mama Mutig - Virnich, B: Mama Mutig

Titel: Mama Mutig - Virnich, B: Mama Mutig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Birgit;Lolosoli Virnich
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hatte. »Die Zeit wird kommen. Sie ist noch nicht reif. Du tust das hier für uns alle«, beteuerte sie und sang mir ein Lied über die stolzen Samburu-Frauen. In dieser Nacht schlief ich zum ersten Mal seit Langem gut und fühlte mich am nächsten Morgen wie neugeboren.
    Und wieder stand ein Umzug an. Die amerikanische Hilfsorganisation Vital Voices mietete für mich ein Apartment in einer Gegend an, in der die schwarze Mittelklasse wohnt, damit ich mich nicht so isoliert fühlte. Dort sollte ich mir ein
eigenes Leben aufbauen. Eine scheinbar perfekte Lösung. Doch auch hier verfiel ich nach ein paar Wochen in Depressionen. Meine Nachbarn hasteten an mir vorbei. Hinter den dicken Mauern konnte ich sie weder hören noch sehen. Die meisten gingen frühmorgens wie aus dem Ei gepellt zur Arbeit und kamen erst spätabends nach Hause. Sie arbeiteten in den Banken, Versicherungsgebäuden oder Ministerien der City. Ich kam mit ihnen kaum ins Gespräch. Dennoch, der Anblick der vielen gut gekleideten Kenianerinnen ermutigte mich. Ich begann ihnen nachzueifern. Ich wünschte mir, dass es eines Tages auch viele Samburus unter ihnen in dieser aufstrebenden Mittelschicht gebe. Im Nachhinein bin ich froh, dass ich diesen Teil der kenianischen Gesellschaft erlebt habe, doch am Ende zog es mich weiter.
    Endlich fand ich eine eigene Lösung. Eine junge Samburu-Frau, deren Schulausbildung ich finanziell unterstützt hatte, bot mir Unterschlupf in ihrer Wohnung im wohl größten Slum des Kontinents: in Kibera, was so viel heißt wie »Dschungel« oder auch »Chaos«. Ich war noch nie dort gewesen, doch ich hoffte, endlich auf eigenen Füßen stehen zu können. Hier müsste ich kein Geld mehr von Hilfsorganisationen annehmen. Mir fiel ein Stein vom Herzen, als ich mit meinen paar Habseligkeiten in meinen Rucksack im Matatu saß. Als wir dann jedoch tiefer ins Gewusel von Kibera fuhren, beschlichen mich allerdings erste Zweifel. Immer dichter wurden draußen die Menschentrauben, an denen sich das Matatu vorbeischob. Da es heftig geregnet hatte, versanken die Behausungen im Schlamm und die Menschen mussten durch braune Rinnsale voller Dreck und Abfall waten. Die Dreckstraßen wurden von wackeligen Holzbuden gesäumt, über denen ein Wirrwarr an Leitungen schwebte. Mühsam schoben wir uns durch dieses Chaos. Das sollte mein zukünftiges Zuhause sein? Ich war verunsichert. Doch dann ging ich die letzte Strecke zu Fuß, folgte der Beschreibung, vorbei an einer Kirche für Evangelikale und
an einer Moschee und stand plötzlich vor einem der wenigen Apartmentblocks in diesem Meer von Bretterverschlägen und Wellblechdächern. Hier wohnte die junge Samburu-Frau. Ich war erleichtert und beeindruckt. Sie hatte es zu etwas gebracht in Nairobi. Letztlich auch mit meiner Hilfe. Ich war glücklich. Hier würde ich mich wohlfühlen, das spürte ich. Obwohl es in Kibera ständig nach Müll stank, atmete ich auf. Endlich spürte ich wieder Leben in mir. Die Vitalität der Menschen steckte mich an. Wie ich kämpften auch sie ums Überleben. In der kleinen Wohnung der Samburu-Frau fühlte ich mich zwischen weißen Häkeldeckchen und schweren Polstersesseln mit Zebramuster zum ersten Mal seit Monaten wieder geborgen.
    Mittlerweile regelte ich aus der Ferne die Geschäfte von Umoja und es funktionierte ganz gut. Ich wollte immer ganz genau wissen, wie es allen im Dorf ging. Nanyimoi und Lucy besuchten mich weiterhin und als sie wieder einmal da waren, saßen wir in meinem winzigen Schlafzimmer mit ausgestreckten Beinen auf dem Fliesenboden, umgeben von Kisten, Schüsseln und Plastiktüten voller Perlen. Seit den frühen Morgenstunden fädelten wir unermüdlich in dem kahlen Zimmer Ketten und sangen und lachten dabei. An einem Einbauschrank hingen die bereits gefädelten Perlenstränge.
    Auf einem Tisch stand ein Laptop, auf dem gerade eine Bestellung für fünfzehn Sonderanfertigungen per Mail angekommen war. Ein Laden in Amerika hatte aufwendig verschlungene Colliers für Abendkleider bei uns bestellt. Darin hatten wir mittlerweile Übung: Träume aus Eleganz, im Slum aufgefädelt. Wir grinsten. Nanyimoi hielt die Perlenfäden, während wir die Querstränge aufzäumten. Endlich hielt ich wieder die Fäden in der Hand – sowohl im wörtlichen als auch im übertragenen Sinn. Ich strahlte die beiden an. Meine Verzweiflung war wenigstens für ein paar Momente wie weggeblasen. Fast fühlte ich mich wie in Umoja unter unserer großen Schirmakazie.

    »Wieder

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