Mama Mutig - Virnich, B: Mama Mutig
Gefasst packten wir in unserem spärlich
eingerichteten Hotelzimmer unsere paar Kleidungsstücke ein. Das Frauennetzwerk Urgent Action riet uns, in ein großes Safarihotel am Stadtrand von Nairobi zu gehen. Sie erklärten sich bereit, für die Unterkunft zu zahlen. Urgent Action ist ein Netzwerk, das sich für Frauen einsetzt, die häuslicher Gewalt ausgesetzt sind. Nach einem langen Gespräch, in dem ich meine Lage ausführlich geschildert hatte, wollten sie mir bis auf Weiteres unter die Arme greifen.
Draußen in der grellen Mittagssonne tobte längst wieder das alltägliche Großstadtchaos, als wir schließlich im Bus saßen. Wir verabschiedeten uns nun endgültig von den Billigpensionen der Innenstadt. Hier lauerte man uns auf und es war sicherlich nur eine Frage der Zeit, wann wir in einen Hinterhalt geraten würden. Wahrscheinlich würde ich nun alle paar Wochen meine Unterkunft wechseln müssen, fürchtete ich. Doch zunächst einmal verschwanden wir in der Anonymität eines großen Safarihotels.
Nagusi sah mitgenommen aus. Der Großstadtstress setzte ihr arg zu – mehr noch als mir. Der Krach und der Lärm waren Gift für die ansonsten zähe Halbnomadin. Ich spürte ihre innere Unruhe. Nagusi wollte am liebsten zu ihrer Tochter zurück. Sie wusste zwar, dass sich die Frauen um sie kümmerten, doch Nagusi hatte schreckliches Heimweh. Aus Rücksicht hatte sie bisher nur nichts gesagt. »Fahr zurück, dann ist wenigstens eine von uns da, wo sie hingehört«, erklärte ich und winkte ab, als sie zu protestieren versuchte. »Die Frauen in Umoja brauchen dich auch.«
Nun wohnte ich also in einem Safarihotel. Doch in der abgeschirmten Scheinwelt des Massentourismus hielt ich es nicht lange aus. Unter all den Pauschalreisenden, die fast täglich wechselten, kam ich mir völlig verloren vor. Menschen aus aller Welt, die sich am Pool aalten und abends die Tänze der Massai begafften, bekamen nichts vom wahren Leben in Kenia mit. Das Safarigehabe der Tourmanager und ihrer Kunden, die
mit den feinsten Outdoor-Klamotten ausgerüstet waren und dabei kaum die Busse verließen, gingen mir schon nach kurzer Zeit auf die Nerven. Meine Flucht entwickelte sich zur wahren Odyssee. Wohin sollte ich nun gehen?
Nach einem Krisentreffen mit den Helfern von Urgent Action beschlossen wir, dass ich den Hotelkasten am nördlichen Stadtrand von Nairobi verlassen und in ein leer stehendes Haus in einem weißen Vorstadtviertel ziehen sollte. Doch auch hier fühlte ich mich wie ein Fremdkörper. Von meinen Nachbarn hörte und sah ich nichts. Das Haus war riesig, viel zu groß für mich allein. Langsam wurde das Leben als moderne Nomadin im Großstadtdschungel zum Albtraum. Ich nahm ab. In dem großen Haus bekam ich einfach keinen Bissen runter, da ich es nicht gewohnt war, allein zu essen.
So oft wie möglich besuchte mich eine der Umoja-Frauen und leistete mir für ein paar Tage Gesellschaft. Doch dann musste sie wieder zurück in ihr Leben. Ich fragte mich manchmal, wo meines geblieben sei. War das ein richtiges Leben? Wie lange konnte man so etwas durchhalten? Alles, was ich besaß, passte in meinen kleinen schwarzen Rucksack und seit Wochen hangelte ich mich von Hotel zu Hotel, von Haus zu Haus. Am Ende wusste ich gar nicht mehr, wo ich war. Ich fühlte mich entwurzelt. Das ständige Flüchten machte mich krank. Umgeben von hohen Mauern, kam ich mir manchmal vor, als säße ich in Isolationshaft. Wie sollte es weitergehen? Die Ungewissheit nagte an mir und hielt mich nächtelang wach.
Die Frauen vom Netzwerk Urgent Action und die Helfer der amerikanischen Hilfsorganisation Vital Voices versuchten mich aufzubauen. Sie machten mir Mut, weil sie wussten, wie sehr ich mich nach einer Nacht auf einem Kuhfell unter freiem Himmel und den Witzeleien der Umoja-Frauen sehnte. Sie rieten mir, noch nicht nach Umoja zurückzukehren. Mein Mann drohte mir immer noch. Er schien einen perfiden Plan zu verfolgen. Das Land von Umoja war auf meinen Namen
registriert, obwohl es eigentlich den Frauen gehörte. Somit war das Land nach dem traditionellen Verständnis der Samburus Familienbesitz. Ich war sicher, dass mein Mann dahintersteckte. Als Ratsherr hatte er die Möglichkeit, den Eintrag im Grundbuch auf meinen Namen zu verändern.
Mittlerweile war ich davon überzeugt, dass das der Grund war, warum mein Mann mir nach dem Leben trachtete. »Er will mich umbringen, damit das Land an ihn übergeht.« Mir blieb nicht anderes übrig, als das vor
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